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Gewerkschaften

Im Juli 1937 wurde ein Friedensabkommen zwischen vier Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband der Maschinen- und Metallindustrie abgeschlossen, was den Beginn der Sozialpartnerschaft darstellt. Von nun an sollten gegenseitige Forderungen zwischen den Kapitalist:innen und den Arbeiter:innen ohne jegliche Kampfhandlungen ausdiskutiert werden. Historisch liegen dem kämpferische Jahre zuvor, in denen das Schweizer Proletariat in den krisenhaften 1930er-Jahren unter einem massiven Verlust des Lebensstandards gelitten hatte und dadurch auch immer wieder streikte. Mehrfach war es zu blutigen und tödlichen Zusammenstössen zwischen antifaschistischen, streikenden Arbeiter:innen und bewaffneten Ordnungsgruppen gekommen. Die Gewerkschaftsführung hielt in dieser Epoche genau wie schon in den 1920er-Jahren an ihrer kampflosen Politik fest, obwohl sich die Krise immer weiter verschlimmerte und die Arbeiter:innen zeigten, dass sie kampfbereit waren. Die Gewerkschaftsspitzen zeigten kein Interesse an revolutionärer oder aber einfach nur kämpferischer Politik, weil sie sich vor den Arbeitsgebern als verlässlicher Sozialpartner beweisen wollten. 1936 kommt es durch die Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg und der Aufrüstung in Europa zu einer Ankurbelung der Wirtschaft, doch die Verteuerung der Güter bringt den Arbeitenden trotz fetter Profite für die Bosse nur noch grössere Reallohnverluste. Im Juli 1937 gibt es in der Schweiz massive Streiks, doch deren Niederlage wird mit dem Friedensabkommen einen Monat später besiegelt. Von nun an verzichten die Gewerkschaften auf ihre wichtigste Waffe: den Streik. Somit wird den Schweizer Arbeitenden ein Menschenrecht vorenthalten. Es gibt deutliche Parallelen zum Landesstreik 1918. Dieser stellte eine Massenbewegung des Proletariats dar, welcher unter dem Einfluss der europäischen Revolutionen stand und bis anhin die kämpferischste Zeit der schweizer Arbeiter:innen darstellt. In der Geschichtsschreibung der Reformist:innen war der Landesstreik ein Erfolg, da Minimalforderungen wie wie die Proporzwahl oder der 8-Stunden-Tag erkämpft werden konnten. In der Realität hat die Führung des Landesstreik, das Oltener Komitee - ein Bündnis aus SP und Gewerkschaften - den Kampfeswillen des Proletariats verraten und den Streik abgebrochen, ohne das volle Potenzial der Bewegung auszuschöpfen. 1937 zementierte diesen Verrat und eröffnete die Möglichkeit für SP und Gewerkschaften zur Mitverwaltung des Kapitalismus. Die Bundesratsbeteiligung der SP ab 1944 ist durch ihre organische Verbindung mit den Gewerkschaften zu verstehen. Erst als der Arbeitskampf der organisierten Arbeiter:innen in gesicherte und institutionalisierte Bahnen gelenkt wurde, erlaubte die schweizer Bourgeoisie der Führung der Arbeiter:innenbewegung das Mitspracherecht - ob in der Regierung mit den bürgerlichen Parteien oder am Verhandlungstisch mit den Kapist:innen.

Der Arbeitsfrieden ist seit seiner Einführung eine der wichtigsten Stützen für den Kapitalismus in der Schweiz. Dadurch akzeptieren die Führungen der Gewerkschaften (und der SP) den Kapitalismus als Wirtschaftsform und versprechen den Besitzenden, ihr Privateigentum nicht anzutasten. Sie werden dadurch zu Agenten der Kapitalist:innen innerhalb der Arbeiter:innenbewegung. Doch die Gewerkschaften befinden sich in einem gespannten Mischverhältnis zu beiden Hauptklassen. Während sie den Kapitalist:innen versprechen, ihr Privateigentum nicht anzutasten, schwören sie den Arbeiter:innen, am Verhandlungstisch für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Dies hat vor allem in der Zeit des Nachkriegsbooms ab 1948 gut geklappt. Nicht nur in der Schweiz, sondern in den meisten, wenn nicht allen westlichen Ländern wuchs die Wirtschaft aufgrund der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs und der US-Amerikanischen Finanzierung des Wiederaufbaus dermassen gut, dass sowohl genügend Profite für die Besitzenden, als auch höhere Löhne sowie Sozialleistungen erkämpft werden konnten. Dabei stützen sich die Gewerkschaften aber nicht auf die gesamte Arbeiter:innenklasse, sondern sie arbeitet mit Gesamtarbeitsverträgen (GAV), die nur eine jeweilige Branche des Arbeitsmarktes betrifft. Folglich wurden nicht alle Arbeiter:innen durch GAV abgesichert, sondern vor allem kämpferische Sektoren (z.B. Bauarbeiter:innen) und/oder Arbeiter:innen von stark profitablen Sektoren (z.B. Maschinenbau). Es bildete und festigte sich so eine Arbeiter:innenaristokratie, welche übermässigen Einfluss in der Führung der Gewerkschaft haben. Wir beschreiben damit eine Schicht des Proletariats, die innerhalb des Kapitalismus einen so hohen Lebensstandard hat, dass sie kaum mehr ein Interesse daran hat, die Gesellschaft und Wirtschaft selbst in die Hände zu nehmen. Durch die internationale Arbeitsteilung macht dieser Teil der Arbeiter:innenklasse einen übermässig grossen Teil aus. Der hochentwickelte Imperialismus macht es möglich, dass in den hochprofitabeln und kapitalintensiven Sektoren der Wirtschaft zahlreiche komfortable Stellen geschaffen werden. Einerseits ist dazu eine besser gebildete Arbeiter:innenschaft nötig, soziale Investitionen in die Bildungs und soziale Infrastruktur bedingt, andererseits wird ein Grossteil der schlecht bezahlten Stellen in der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung in andere Märkte ausgelagert. Die Reproduktionskosten eine:r schweizer Arbeiter:in sind um ein vielfaches höher als die meisten anderen, v.a. aus dem globalen Süden bzw der halbkolonialen Welt. Die schweizer Arbeiter:innenklasse hat dadurch kollektiv eigentlich eine grössere Handlungsmöglichkeit, da sie häufig schwerer zu ersetzen sind. Gleichzeitig beschränken sich diese Reproduktionskosten auf den schweizer Markt, was es einfach macht, die Kämpfe international zu isolieren und chauvinistische wie xenophobe Ideologien zu streuen.  

Der Arbeitsfrieden hat das Proletariat gespalten und ihm seine wichtigste Waffe, den Streik, entzogen, weil die Führungen der Gewerkschaften (und des SP) keine Politik verfolgen, die sich alleine um das Interesse des Proletariats kümmern, wie es eigentlich mal gedacht war. Die Politik ist anti-revolutionär und dient nur dazu da, das kapitalistische System zu stützen. 

Die Umbruchstimmung der 90er Jahre, der Beginn der Periode der Globalisierung und des Neoliberalismus als Ausweg aus der wiederkehrenden Krise führte auch bei der schweizer Bourgeoisie zu einer neuen Offensive gegen die Arbeitsverträge. Der Arbeitsfrieden wurde von oben angegriffen und während es die Gewerkschaften aus der Defensive heraus geschafft haben, einen Teil der GAVs zu retten, befinden wir uns noch immer in einem Tief der Abdeckung durch GAVs. Versuche die Gewerkschaften zu Reformieren und Einen, was sich u.a. in der Gründung der UNIA ausdrückte blieben oberflächlich. Heute, im Jahr 2024, ist aber nicht einmal die Hälfte der Arbeiter:innen unter einem GAV angestellt… Meistens, weil die Arbeitgeber:innen sich geweigert haben, in den letzten, krisenhaften Jahren, denselben Lohn weiterzuzahlen bzw. bei kleinsten Forderungen von Seiten der Gewerkschaften die Verhandlungen abzubrechen.


 

Unsere Forderungen:

 

Als naturwüchsige Organe der Arbeiter:innenklasse gibt es auf der ganzen Welt Gewerkschaften. Eine lebenswichtige Aufgabe für jede sozialistische Revolution ist das vereinen der Massen des Proletariats in revolutionären Gewerkschaften. In diesem Kampf sind folgende Forderungen universell (aus dem Programm der Liga für die Fünfte Internationale):

 

  • Die Organisation der nicht organisierten Arbeiter:innen, einschließlich Frauen, Migrant:innen und befristeten Arbeitskräften.

  • Die Gewerkschaften müssen unter der Kontrolle ihrer Mitglieder stehen.

  • Für das Recht auf unabhängige Treffen (Caucusrecht) für alle sozial unterdrückten Gruppen: Frauen, ethnische Minderheiten, LGBTIA+-Menschen.

  • Einheit aller Gewerkschaften auf einer demokratischen und kämpferischen Basis, völlig unabhängig von den Bossen, ihren Parteien und Staaten.

Für den Kampf um die revolutionäre Umgruppierung der schweizer Gewerkschaften schlagen wir folgende Forderungen vor:

 

  • Für revolutionäre Gewerkschaften! Militante, sozialistische und revolutionäre Gewerkschafter:innen müssen einen Pol gegen die klassenverräterische Gewerkschafsführung und die Strategie des Arbeitsfriedens aufbauen! 

  • Nieder mit dem Arbeitsfrieden! Die Gewerkschaften aufhören, das Streikrecht zu verkaufen, nur mit dem militanten Kampf kann der Lebensstandard der Arbeiter:innen und die sozialistische Revolution erkämpft werden!

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