Was Tun?
Unser Kurzprogramm
Einleitung: Vom Widerstand zur Revolution
Wo Unterdrückung und Ausbeutung existieren, existiert auch immer Widerstand. Widerstand gegen Lohnkürzungen und Entlassungen, Inflation, den sinkenden Lebensstandard und imperialistische Kriege ebenso wie Widerstand gegen die rassistische, sexistische und heteronormative Unterdrückung oder die Zerstörung der Natur. Der Kapitalismus kann diese Ungerechtigkeiten und sozioökonomischen Krisen nicht überwinden, denn sie liegen in seiner Natur. Bestenfalls können im wirtschaftlichen Aufschwung kurzfristige Konzessionen erkämpft werden, welche bei der nächsten Stagnation und Krise wieder für den Profit geopfert werden. Es gibt keine “gute” oder “richtige” Verwaltung des kapitalistischen Staates, wie sie die Reformist*innen anstreben! Entsprechend betrachten wir diese Kämpfe gegen verschiedene Auswirkungen eines unterdrückenden Systems nicht isoliert, sondern halten es für notwendig, dass die verschiedenen Widerstandsbewegungen gemeinsam für eine sozialistische Perspektive kämpfen. Das kapitalistische System muss überwunden und der bürgerliche Staat durch eine Rätedemokratie ersetzt werden, die alle Lohnabhängigen in allen Betrieben und Quartieren zu einer wahrhaft demokratischen Beteiligung an Gesellschaft und Wirtschaft bemächtigt. Sozialismus heißt nicht, dass eine linke Person die kapitalistische Herrschaft verwaltet. Sozialismus bedeutet die vollständige Emanzipation der Menschheit, das Ende der Klassen, die wahrhafte Demokratie aller Menschen und schließlich: Jede:r nach seinen Fähigkeiten, jede:m nach seinen Bedürfnissen!
1: Wie positionieren wir uns politisch?
Wir sind revolutionäre Marxist*Innen in der Tradition von Marx, Engels, Lenin und Trotzki und versuchen, in den aktuellen Kämpfen und Organisationen des Proletariats revolutionäre Thesen einzubringen und sie damit voranzutreiben. Dies bedeutet, den bestehenden Kämpfen einen konkreten Weg nach vorne aufzuzeigen, damit sie ihre - meist sehr guten - Forderungen gegen die Macht des Kapitals durchsetzen können. Heute könnte man uns auch als Trotzkist:innen bezeichnen. In einer Welt, gespalten in Kapitalist*innen und Lohnabhängige, kämpfen wir dafür, dass das wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Leben kollektiv und demokratisch von der arbeitenden Klasse nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur verwaltet wird. Dies auf der Grundlage einer Rätedemokratie, also der Selbstorganisation der arbeitenden Klasse und aller unterdrückten Gesellschaftsschichten in allen Betrieben und Quartieren. Wir kämpfen also für einen radikalen Bruch mit den bestehenden Besitzverhältnissen und dem bürgerlichen Staat - für eine sozialistische Revolution.
2: Wie kommen wir zum Ziel?
Die Arbeiter:innenklasse ist in der heutigen Gesellschaft die einzige Klasse, welche durch ihre Position als Produzent:innen das Potenzial hat, die Wirtschaft lahmzulegen, sie unter demokratische Kontrolle zu stellen und so endgültig alle Klassenunterschiede aufzuheben. Nur die revolutionäre Machtergreifung der arbeitenden Klasse, im Bündnis mit allen unterdrückten Gesellschaftsschichten, kann die bewusste Entwicklung hin zu einer kommunistischen Gesellschaft herbeiführen.
Eine Klassengesellschaft bringt immer Widersprüche mit sich, denn die Existenz von Klassen bedeutet schon per Definition, dass diese Klassen um etwas gegeneinander kämpfen. In diesen Kämpfen bildet sich auf der Seite des Proletariats eine Avantgarde, nämlich diejenigen Menschen, die innerhalb dieser Kämpfe eine führende Rolle einnehmen, Menschen organisieren und ein revolutionäres Bewusstsein erlangen. Als Revolutionär:innen ist es unsere Aufgabe, diese Kämpfe zu unterstützen und zu verbinden. Indem wir mit den diversen Avantgarden in Kontakt kommen, mit ihnen kämpfen und so die Überlegenheit revolutionärer Politik und demokratischer Selbstorganisation (welche bereits die Keimform der sozialistischen Gesellschaft darstellt) in der Praxis aufzeigen können, können die Kämpfe verbunden und die revolutionären Ideen in weite Teile der Gesellschaft getragen werden.
Auf lange Sicht braucht es für den Sturz der kapitalistischen Ordnung und die Entstehung der sozialistischen Rätedemokratie kommunistische Massenparteien, sowohl in der Schweiz als auch international, welche als Werkzeug des revolutionären Proletariats die Forderungen des Proletariats und unterdrückter Gesellschaftsschichten zu einer sozialistischen Perspektive verbinden, diesen Machtwechsel politisch anführen und erfolgreich gestalten können. Es gibt heute noch keine Strömung, welche das Potenzial hat, die Massen auf diese Weise zu verbinden - sondern eine solche revolutionäre Partei kann nur durch den Zusammenschluss revolutionärer linker Organisationen und der fortgeschrittensten Elemente aller Kämpfe entstehen. Unter diesen verstehen wir jene Personen, welche vom bestehenden Bewusstsein aus weiterdenken und in den sozialen, ökonomischen und politischen Kämpfen, in welchen sie aktiv sind, die revolutionäre Politik als Ausweg aus der kapitalistischen Sackgasse aufwerfen. Daher halten wir es für eine wichtige Aufgabe, in der Debatte über eine vereinte Partei der revolutionären Linken voranzuschreiten. Ebenso halten wir den Zusammenschluss der revolutionären Linken in einer neuen Internationalen, die an der Tradition der 4. Internationale anknüpft für elementar zur Stärkung der sozialistischen Bewegung weltweit.
3: Welche Rolle nimmt das Programm ein?
Für einen solchen Zusammenschluss zu einer revolutionären Massenpartei und einer neuen Internationalen ist das Erarbeiten eines revolutionären Programmes notwendig, welches konsequent die Interessen des Proletariats gegenüber allen Unterdrückungsformen verteidigt und so zu einem Bezugspunkt für alle Kämpfe werden kann. Ein solches Programm wollen wir erarbeiten, in die bestehenden Klassenkämpfe hineintragen und mit den Beteiligten diskutieren. Das revolutionäre Programm soll dabei als lebendiges Dokument die Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus den heute bestehenden Kämpfen widerspiegeln und Forderungen mit Übergangscharakter formulieren, welche die Brücke schlagen vom bestehenden Bewusstsein über die Selbstorganisierung hin zum Ziel des Sozialismus. Nur durch die aktive Auseinandersetzung mit den Bewegungen und die aktive Beteiligung in ihnen können wir die richtigen Analysen vollziehen und daraus die richtigen Forderungen und Perspektiven für die einzelnen Kämpfe wie für das gesamte Proletariat formulieren. Die Aufgabe von Marxist:innen heute sehen wir in der Erarbeitung eines solchen revolutionären Übergangsprogrammes und der Vereinigung der klassenbewussten Teile der verschiedenen Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung um selbiges, um so die Grundlage für den Prozess hin zu einer revolutionären Massenpartei zu legen.
4: Welche Übergansforderungen? Wo wollen wir das Programm hineintragen? Wo wollen wir aktiv werden?
Beständig flammen Kämpfe auf - gegen schlechte Arbeitsbedingungen und Ausbeutung, gegen sexistische, rassistische und viele weitere Formen der Unterdrückung, gegen Ausbeutung der Natur und des Klimas sowie gegen weitere Auswüchse der kapitalistischen Gesellschaft, mit der sich die Menschen konfrontiert sehen. Überall dort, wo Menschen für ihre Interessen und gegen Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen, wollen wir eine marxistische Perspektive hineinbringen, die das Gesamtinteresse des Proletariats hervorhebt. Die Interessen der arbeitenden Klasse begrenzen sich dabei nicht auf rein ökonomische Belange wie einen höheren Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen. Die kapitalistische Ordnung, welcher wir entgegenstehen, basiert seit ihrer Entstehung auf der Spaltung der Menschen aufgrund verschiedenster oberflächlicher Charakteristiken. So stützt sich der Kapitalismus nebst vielem anderen beispielsweise auf:
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die bürgerliche Familie als Bastion der Frauen*unterdrückung oder auf Niedriglöhne in “traditionellen Frauenberufen”
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auf ethnische Spaltung und Nationalismus zur Legitimierung imperialer Interessen und zur Schaffung einer prekären und mehrfach ausgebeuteten Schicht der Arbeiter*innen
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auf die vereinfachte Einteilung in ein binäres, heteronormatives und monogames Geschlechter- und Beziehungssystem zur Unterdrückung der Entfaltung der eigenen Individualität.
Nach dem uralten Prinzip “Teile und Herrsche” werden Teile des Proletariats relativ privilegiert durch höhere Löhne, bessere Chancen auf eine Wohnung, Ausbleiben von Racial-Profiling etc., um sie an die herrschende Klasse zu binden, die sich in Wahrheit kein bisschen für ihr tatsächliches Wohlbefinden interessiert und ihnen lediglich mehr Krümel vom Kuchen als anderen anbieten kann, während sie sich selbst den ganzen Kuchen, den Ofen und auch noch den Tisch nimmt.
Die Ausübung von Haus- und Carearbeit wird so zum Beispiel auf die Familieneinheit abgewälzt und bleibt mehrheitlich Aufgabe von FINTAs, während Kitas, Kantinen und Waschsalons schon lange die öffentliche Verwaltung dieser Aufgaben ermöglichen würden. Das Rechtssystem und die Polizei täuschen uns Sicherheit und “Gleichheit vor dem Recht” vor, während Personen ausländischer Herkunft systematisch kriminalisiert und prekarisiert werden und die Aufgabe der Sicherheitsapparate eigentlich in erster Linie darin besteht, die herrschenden Eigentumsverhältnisse zu schützen und damit die Interessen des Kapitals zu verteidigen. Regelmäßig werden Personen, die in ihrer Geschlechtsidentität von der starren binären Norm abweichen, Gesundheitsversorgung und Bürger:innenrechte verwehrt sowie aktiv ihre Anerkennung als Teil der Gesellschaft aberkannt, um “traditionelle Werte” zu stärken, welche letzten Endes allen die Möglichkeit zur freien Selbstentfaltung nehmen.
Genauso wie Streiks können politische und soziale Kämpfe einer mehrfach-unterdrückten und -belasteten Schicht des Proletariats gegen ihre jeweilige spezifische Unterdrückung das Gesamtinteresse der Arbeiter:innen aufzeigen und das Klassenbewusstsein weitertreiben. Nicht zuletzt ist die Position am Arbeitsplatz die prekärste, wo marginalisierte Personen zusätzlich aufgrund ihrer Identität den Angriffen von Bossen und reaktionären Klientel ausgesetzt sind.
Ebenso ist die brutale Ausbeutung von Mensch, Natur und Tier kein Zufall, sondern eine Notwendigkeit in einer auf Profitstreben und auf ständigem Wachstum basierenden Gesellschaft. Auch Bewegungen gegen die zerstörerische Natur des Kapitalismus wie die durch den kapitalistischen Wachstumszwang angetriebene Umweltzerstörung - mit dem aktuellen Beispiel der Klimakrise - können das revolutionäre Bewusstsein voranbringen.
Unser Programm soll die Diversität der arbeitenden Klasse widerspiegeln und will alle Kämpfe dieser Klasse gegen jegliche Ausbeutung und Unterdrückung verbinden. Dazu wollen wir uns mit diesen Gruppen und Kämpfen in Verbindung setzen und mit ihnen theoretische Fragen, Forderungen und Perspektiven diskutieren. Wir wollen mit ihnen für revolutionäre Politik kämpfen und uns innerhalb der Bewegungen und Organisationen selbst für demokratische Strukturen und die Verbindung der Kämpfe in einen gemeinsamen sozialistischen Kampf einsetzen.
Wir kämpfen für eine Welt ohne ständige Unterdrückung, Leistungsdruck, Konkurrenz und Ausbeutung - gegen dieses menschenverachtende System. Alle, die mit diesen Perspektiven einverstanden sind, laden wir herzlich dazu ein, mit uns zu diskutieren und zu kämpfen und im Streben nach einer revolutionären Partei in der Schweiz und einer neuen vereinigten Internationalen der sozialistischen Revolution voranzuschreiten.
Anhang:
Es wird in obigem Dokument oft von dem Gesamtinteresse des Proletariats sowie spezifischen Unterdrückungsformen geredet, die Schichten dieser Klasse entsprechen. Dabei liegt der Hauptfokus auf den gängigsten Kämpfen, welche momentan in den Bewegungen präsent sind; also der Kampf der Frauen und aller unterdrückten Geschlechter, ethnischer und sexueller Minderheiten. Es gibt zig weitere Schichtierungen, welche ganz spezifische Interessen gewisser Teile der Gesellschaft repräsentieren. Daraus gibt es auch hunderte weitere Forderungen, welche in einem umfassenden Katalog der Forderungen der arbeitenden Klasse angehängt werden könnten, welche den Interessen und die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit einer Behinderung, psychischen Erkrankungen oder jedweder Eigenschaften betreffen, welche in der kapitalistischen Gesellschaft heruntergehandelt und erniedrigt werden, ohne die Menschen hinter der oberflächlichen Erscheinung anzuerkennen und in ihren individuellen Stärken zu fördern. Es geht überhaupt gar nicht darum, einen “perfekten” Forderungskatalog zu produzieren, da es einen solchen nicht gibt. Diese Forderungen müssen nämlich in den realen Kämpfen entstehen. Dabei unterstützen wir auch diejenigen Anliegen der einzelnen Schichten, sofern sie dem Gesamtinteresse des Proletariats entsprechen. Wo es denn nun Kämpfe gegen Unterdrückung und Ausbeutung gibt, wollen wir (wenn möglich) präsent sein, Forderungen und Perspektiven diskutieren. Doch es steht außer Frage, dass wir als Gruppierung wie Individuen stets blinde Flecken in unserer Ansicht haben werden. Diese Lücken können nur gefüllt werden, wenn wir offen zur Diskussion sind, Kritik aufnehmen und von diesen Kämpfen und Bewegungen lernen.