1. Mai in Zürich - Demobericht
Die Stimmung mit den ca. 11000 Demoteilnehmer:innen und zig linken Organisationen war energiegeladen. Die zentrale Forderung „Prämien runter, Löhne rauf“ ist richtig, geht aber zu wenig weit. Die revolutionären Reden während der Demo haben in verschiedener Weise den Willen nach einer revolutionären Strategie ausgedrückt, jedoch bleibt die Führung der Arbeiter:innenbewegung als Ganzes bei der SP und den Gewerkschaften - der erste Mai bleibt damit symbolischer Natur und .
Die revolutionäre Demo soll eine Alternative bieten, jedoch weitgehend ohne ein konkretes Programm oder eine konkrete Strategie. Wir stellen den Sinn und Zweck der revolutionären Demo als Taktik zwar in Frage, weil das Organisieren von kleineren, dafür ausschließlich revolutionären Bewegungen in letzter Instanz immer den Kampf um die Führung der gesamten Arbeiter:innen umgeht. Gleichzeitig stehen wir aber solidarisch hinter den Organisator:innen und Teilnehmenden der revolutionären Demo, stellen uns gegen den undemokratischen Zwang zur Anmeldung einer Demonstration und gegen jede Repression durch Staat und Polizei. Die Gewalt kommt immer in erster Linie vom Staat, der unser Recht auf Versammlungsfreiheit einschränkt, mit einem riesigen Polizeiaufgebot Demonstrant:innen einkesselt und mit Wasserwerfer, Gummischrot und Pfefferspray drangsaliert.
Sachbeschädigung am 1. Mai?
Wie erwartet kam es auch zu einzelnen Sprayereien während der angemeldeten 1. Mai Demo am Morgen. Auch wurden einige Grossunternehmen mit Farbe beschmiert und eine Scheibe eingeschlagen. Das Ziel solcher Aktionen ist nicht wahllos und apolitisch, sie treffen klar die reaktionären Grosskonzerne und Banken - die Feinde des Proletariats und aller Unterdrückter weltweit! Sie sind daher widerständige Ausdrücke des Klassenkampfes.
Allerdings sind solche Strategien nicht effektiv. Der Schaden ist letztlich überschaubar und tolerabel und ändert nichts an der grundsätzlichen Machtverteilung der Klassengesellschaft. Wir rufen nicht zu solchen Aktionen auf, aber verurteilen sie auch nicht, und stellen uns gegen jegliche staatliche Repression und die Hetze der bürgerlichen Presse gegen “Chaot:innen” und “Sachbeschädigung”. Die bürgerliche Berichterstattung und dessen Stellung als hegemoniale Meinung in der schweizer Gesellschaft ist letztlich dem Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital geschuldet. Da der 1. Mai als Kampftag die kapitalistische Ordnung in Frage stellt, wird die bürgerliche Presse immer gegen ihn hetzen. Wir dürfen die Bewegung nicht spalten, indem wir uns vor der bürgerlichen Öffentlichkeit „rein waschen“ und selber die “Chaot:innen“ ausschliessen. Es braucht aber eine andere Strategie. Diese sollte unserer Meinung nach das Ziel verfolgen, den Führungsanspruch des Reformismus über die gesamte Arbeiter:innenbewegung zu brechen - und nicht eine eigene, abgeschottete revolutionäre Bewegung zu kultivieren.
Der Kampf geht weiter!
Der 1. Mai ist der Tag, an dem wirklich alle Organisationen der Linken zusammenkommen. Leider findet dieses Zusammenkommen wenig ebenbürtiges während dem restlichen Jahr - und vor allem nicht wenn es um militante Kämpfe geht. Hausbesetzungen in Zürich und die Besetzung des Géopolis an der UNIL zeigen den Kampfeswillen unserer Klasse - doch dieser ist zumeist noch nicht genug organisiert und vernetzt. Eine revolutionäre Alternative muss die Opposition nicht nur in ihre eigenen Kämpfe, sondern in alle Kämpfe der Arbeiter:innenbewegung tragen. Dahingehend können wir natürlich nur begrenzt wirken, da es einen umfassenden Klärungsprozess über Forderungen und Methoden der Bewegung(en) braucht. Gerade deswegen wäre es unbedingt notwendig, dass sich die revolutionären Gruppierungen über ihre Aktivitäten in den Kämpfen und Bewegungen unserer Klasser ernsthaft und kritisch auseinandersetzen und austauschen. Die revolutionäre Bewegung kann nicht siegreich sein, wenn sie nicht aus den Lektionen ihrer Erfahrung lernt. Dieser Lernprozess ist schwierig in einer Situation, in welcher die radikale Linke in unzählige Gruppen fragmentiert ist. Genauso muss ein solcher Austausch zu gemeinsamen Handeln anleiten, um die Schlagkraft des revolutionären Ausdrucks der Klasse zu heben. Der genossenschaftliche Geist des 1. Mai muss also über das ganze Jahr charakteristisch für unseren Austausch zwischen Gruppen und Strömungen der Arbeiter:innenbewegung sein.
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