Die JUSO steht an einem Scheideweg: Wie gewohnt sind für das Präsidium zwei Kandis im Rennen. Während dabei natürlich gewisse politische Eigenheiten Bedeutung gewinnen, geht es bei der Präsidiumswahl nicht immer um solch zentrale strategische Fragen, wie sie diese Wahl aufwirft. Die Zeit des letzten Präsidiums war primär gekennzeichnet durch die Initiative für eine Zukunft, womit die JUSO nach der Pandemie wieder ihre Schlagkraft beweisen konnte. Die politische Bilanz sieht für diese Periode aber düster aus. Als Opposition gegen den systemkonformen Reformismus und die Regierungsbeteiligung der SP, welche letztes Jahr verschärft wurde (mit der Forderung, die SP solle aus dem Bundesrat austreten), haben sie auf der einen Seite klar den Willen einer linken, sozialistischen Kraft in der JUSO und SP ausgedrückt. Jedoch gibt es keine organisierte Opposition in der SP, welche offen die Regierungsbeteiligung kritisiert und diese Debatte verschärft. Die JUSO wirkt de facto als Cordon Sanitaire für die systemkritischen Debatten. Manche SPler*innen mögen Sympathien mit diesen Diskussionen haben oder an ihnen teilnehmen, jedoch stellt die JUSO keine wirkliche Gefahr für die Regierungsbeteiligung dar (und wir können nicht genug daran erinnern, dass dies eine ungebrochene, 80 jährige Koalition u.a. mit der SVP und ihrer Vorgängerorganisationen ist).
Es ist klar, dass alle Teile der JUSO ihre Antworten suchen, wie in dieser stürmischen Zeit sozialistische Politik betrieben werden kann. In jedem Fall wird die JUSO nach links rücken. Das Programm von Mirjam enthält viele gute Ansätze und erkennt die Notwendigkeit einer Verschärfung des sozialistischen Kampfes - für eine klare Strategie, gegen die gegenwärtige SP-Politik, für bessere Zusammenarbeit mit der radikalen Linken, für die Diversität der Methoden und die Stärkung des ausserparlamentarischen Kampfes, für eine transparentere Geschäftsleitung und und eine Anpassung interner Strukturen etc. Mirjam erkennt so völlig richtig, dass die Arbeit im bürgerlichen System (Parlamentarismus, Initiativen etc.) nicht genug ist, um die Gesellschaft grundlegend zu verändern, stellt jedoch keine Alternative zum Status Quo der JUSO dar. Dieser ist ein Linksreformismus, welcher zwar eine Kritik am vorherrschenden Reformismus der Sozialdemokratie formuliert, jedoch selber keine revolutionäre Politik darstellt.
Das Programm von Jakub geht weiter. Jakub will die JUSO explizit zu einer revolutionären Partei machen. Anstatt einer weiteren Initiativ-Kampagne soll sich die JUSO kollektiv auf einen Diskussionsprozess begeben, worin sowohl ein revolutionäres Programm als auch eine revolutionäre Strategie ausgearbeitet werden soll. Auch eine Fraktion in der SP gehört zum Programm. Natürlich Teilen Mirjam und Jakub viele Ansichten und es geht hier nicht darum, ihre Programme zu rezipieren (natürlich empfehlen wir allen Mitgliedern der JUSO, die Positionen beider Kandis genau zu studieren). Was für uns als Gruppe Was Tun der ausschlaggebende Faktor ist: Jakub will über die Grenzen des Linksreformismus hinaus gehen, anstatt die JUSO einfach “nach links zu rücken”. Dieses Programm gerät in Widerspruch nicht nur mit der SP-Führung sondern auch mit der JUSO, wie sie jetzt ist. Wir betonen die Notwendigkeit der revolutionären Umgruppierung in der Linken. Jakub ist ein Ausdruck eines grösseren Teils der JUSO, welcher sich eine solche Umgruppierung wünscht. Deshalb empfehlen wir allen Revolutionär*innen in der JUSO, Jakub als Präsident*in zu wählen.
Doch die Alternative, die Jakub formuliert, bleibt vorerst noch ziemlich abstrakt. Was niemand in der JUSO offen anspricht, jedoch für die sozialistische Revolution unabdingbar ist, ist die Selbstorganisation der Arbeiter*innenklasse. Das revolutionäre Programm muss einen Übergangscharakter haben, also nicht nur die Lebensbedingungen der Arbeiter*innen verbessern (durch soziale Absicherung, höhere Löhne, Schutz vor Diskriminierung etc.), sondern auch darauf abzielen, die Arbeiter*innen auf die Machtübernahme vorzubereiten. Dafür können wir natürlich nicht auf den bürgerlichen Staat vertrauen, sondern müssen zentrale Aufgaben der Verwaltung direkt den Arbeiter*innen und unterdrückten Gesellschaftsschichten übergeben (bspw. durch die Öffnung der Geschäftsbücher, die Organisation in Betriebs- und Quartierräte etc.), um so Gegenmachtstrukturen zu fördern.
In jedem Fall kann ein neues Präsidium allein nicht reichen, davon geht auch Jakub nicht aus. Ob Jakub gewählt wird oder nicht, bedarf es des bewussten Handelns der Revolutionär*innen in der JUSO an der Basis. Wir sehen uns Europaweit und damit auch in der Schweiz einem Rechtsruck gegenüber - was sich sowohl in der Erstarkung von rechtsaussen Parteien und der Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiter*innen ausdrückt (was bekanntlich zuerst und am härtesten FINTA*s, PoCs, Menschen mit Behinderungen und andere marginalisierte und mehrfach unterdrückte Schichten trifft), als auch in einer objektiven Schwäche in der Linken. Auch wenn beeindruckende Mobilisierungen immer wieder möglich sind, schaffen es die sozialen Bewegungen nicht, zentrale Forderungen umzusetzen. Gleichzeitig sinkt die Beteiligung an ihnen massiv. Der diesjährige feministische Streik konnte zwar 150’000 Menschen auf die Strasse bringen, das sind aber weniger als die Hälfte als letztes Jahr. Die Klimabewegung steckt in einer strategischen Sackgasse, während unsere herrschende Klassen mit offenen Augen in die Katastrophe schlittert. Genauso schafft es die Pro-Palästina-Bewegung nicht, an der Loyalität des schweizer Imperialismus mit Israels Genozid zu rütteln. Derweilen können an der Urne vereinzelt Erfolge erzielt werden (Pflegeinitiative, 13.AHV), doch diese sind dünn gesät und ein Tropfen auf dem heissen Stein. Es ist unabdingbar für Revolutionär*innen in der JUSO, welche mit der gegenwärtigen Politik der Partei nicht einverstanden sind, sich aktiv an der Ausarbeitung alternativer Aktivitäten und Positionen zu beteiligen, um die Führung der JUSO und SP unter Druck zu stellen. Es ist klar, dass die Debatte in der ganzen Partei seine Zeit beanspruchen wird - dass darf uns aber nicht davon abhalten, schon jetzt den Rahmen revolutionärer Positionen zu definieren und gemeinsam die Debatte voran zu bringen. Beide Kandis möchten die Beteiligung der Basis stärken. Das sehen wir positiv und sofern dies auch tatsächlich gemacht wird, eröffnen sich damit wichtige Möglichkeiten, die Parteilinie zu ändern und die Kampfkraft der Partei zu erhöhen.
Es gibt unzählige Beispiele von JUSO Mitgliedern, welche versucht haben, die Partei nach links zu rücken. Wir müssen uns bewusst sein, dass diese Ansätze bis anhin alle gescheitert sind, zumindest gemessen an den Herausforderungen unserer Zeit. Es braucht eine bewusste Vereinigung der revolutionären Elemente in der JUSO, um ihnen einen organisierten Ausdruck zu geben und die Basis zu schaffen, die Partei auf allen Ebenen zu verändern. Eine revolutionäre Partei beweist sich nicht einfach nur an marginal besseren Positionspapieren und nationalen Kampagnen, sondern muss auf nationaler, kantonaler und regionaler Ebene sowie in der alltäglichen Aktivität ein revolutionäres Programm konsequent verteidigen. Unsere revolutionären Positionen stellen uns dabei nicht nur in die Opposition zur Führung der SP, sondern auch einem beachtlichen Teil der JUSO. Wird Jakub gewählt ist es also unabdingbar, die Debatte um eine revolutionäre Umgruppierung von der Basis zu forcieren und zu unterstützen - noch wichtiger ist es bei einer Niederlage, die linksreformistische Hegemonie in der JUSO anzufechten und den Kampf der Opposition dagegen zu verschärfen.
Das bedeutet die Gründung einer revolutionären Fraktion. Revolutionär*innen in der JUSO müssen Bilanz darüber ziehen, was sie über die letzten Jahre einzeln und gemeinsam in der JUSO gemacht haben und warum bspw. in Bezug zum Genozid in Gaza die Positionen der JUSO völlig unzureichend sind und die Beteiligung an der Bewegung dagegen sich auf ein Minimum reduziert (was nicht ignoriert, dass einzelne JUSO Mitglieder darin aktiv waren). Nur wenn wir ein kollektives und kohärentes Verständnis der JUSO und ihrer Probleme entwicklen, können wir uns effektiv der Aufgabe stellen, sie revolutionär zu machen. Auch die Frage des Verhältnisses zur SP muss eine klare Antwort erhalten. Der rechte Flügel in der SP und den Gewerkschaften ist gut organisiert und geniesst eine stattliche Vertretung in den Führungsstrukturen auf allen Ebenen dieser Organisationen. Es wäre illusorisch zu glauben, dass Einzelpersonen und Kleingruppen innerhalb der JUSO (auch wenn es viele sein mögen) dem etablierten Konformismus durch sporadische und unkoordinierte Aktivität entgegenhalten können. Es ist der gesamte Schweizer Kapitalismus, welcher mit seinen Drücken und Zwängen über Jahrzehnte die Arbeiter*innenbewegung und ihre Vertretung in SP und Gewerkschaften für ihre Zwecke anpassten und den Kampfgeist der Arbeiter*innenklasse entschärften. Der Kampf gegen diesen Einfluss wird ein langer und harter.
In letzter Instanz geht es darum, die Führung der Reformist*innen und Bürgerlichen über die Arbeiter*innenbewegung zu brechen, sodass sie revolutionäre Ausmasse annehmen kann. Dieser Prozess schränkt sich auch nicht auf JUSO und SP ein. Es wäre daher ein fataler Fehler, die Perspektive zu haben, als Revolutionär*innen auf unbestimmte Zeit in diesen Parteien zu bleiben. Eine solche Perspektive führt unabwendbar zur Anpassung an den Reformismus, statt diesen ernsthaft herauszufordern. Wir Revolutionär*innen dürfen keine Angst vor der Konfrontation mit den Reformist*innen haben - letztlich gibt uns die Geschichte genügend Beispiele, wie nur schon gegen “zu linke” Reformist*innen wie Corbyn in der britischen LP vorgegangen wird. Nimmt der Klassenkampf tatsächlich revolutionäre Züge an und besteht eine revolutionäre Partei haben die Reformist*innen sich immer für die Verteidigung des Kapitalismus entschieden. Der Tod von Rosa Luxemburg, auf welche sich Jakub bezieht, kann uns eine Lehre sein: sie starb 1919 auf Wunsch der SPD Regierung von Friedrich Ebert als Führerin der deutschen Revolution. Auch in der Schweiz waren es die reformistischen Führer*innen der SP und Gewerkschaften im Oltener Komitee, welche auf Wunsch des Bundesrats 1918 den Landesstreik (worauf sich Mirjam in ihrem Programm positiv bezieht) abgebrochen haben. Niemand sollte Zweifel daran haben, dass SP und Gewerkschaften unter bestehender Führung sich ohne zu überlegen gleich entscheiden würden. Scheitert also der Versuch, JUSO und SP revolutionär zu machen, müssen wir uns unabhängig organisieren und ausserhalb dieser Organisationen die Umgruppierung zu einer neuen revolutionären Partei anstreben. Eine sozialistische Partei kann auf lange Sicht gesehen nicht sowohl einen Flügel beinhalten, welcher den Kapitalismus willig mitverwaltet und einen anderen, welcher zurecht den Sturz dieses Systems und den revolutionären Sozialismus anstrebt. Die Spaltung der SP und damit der auch der JUSO ist vorprogrammiert - entscheidend ist nur, welcher Flügel obsiegt.
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