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Marxistischen Aktion Schweiz

Schweizer Sektion der Liga für die Fünfte Internationale

Klimabewegung gegen den Kapitalismus - aber wie?

Die Herausforderung des Klimawandels stellt die Menschheit vor ein enormes Hindernis. Dies erkennen alle, welche sich dem Ausmaß der Phänomene bewusst sind. Ein “weiter so” kann es ohnehin nicht geben, und jede Verzögerung umfassender Maßnahmen eskaliert die Zerstörung unserer Existenzgrundlagen. Letzten Endes sind damit die Grundlagen des menschlichen Lebens überhaupt gemeint (so pessimistisch wollen wir hier aber nicht sein), doch viel unmittelbarer untergraben klimatische Veränderungen sowohl unsere gegenwärtigen Produktionsbedingungen (v.a. in der Landwirtschaft, in der Abhängigkeit von fossilen Energien und im Ausfall von menschlicher Arbeitskraft durch Naturkatastrophen sowie Krankheiten) als auch gängige Reproduktionszyklen (betroffene Menschen brauchen vermehrt Betreuung und Versorgung, welche jedoch weniger sichergestellt werden kann). Allerdings ist Verzögerung genau die Strategie der imperialistischen Staaten auf dieser Welt, zu welchen die Schweiz gehört und welche meist (im Falle der Länder des “globalen Nordens”) durch die frühe Industrialisierung die Hauptverantwortung für die Klimakrise tragen und immer noch durch halb-/kolonialistische Abhängigkeitsverhältnisse dem Rest der Welt weitestgehend jegliche Autonomie untersagen, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. 


Es gibt keinen grünen Kapitalismus - System Change not Climate Change! Diese Sichtweise ist tief in der Klimabewegung verankert - sowohl im “traditionellen” Klimastreik wie auch in “neueren” Formen der Bewegung wie die Besetzungswellen um End Fossil: Occupy oder Strukturen, welche punktuell andere soziale, politische und wirtschaftliche Anliegen mit dem Kampf für Klimagerechtigkeit verbinden wollen, bspw. Ökofeministische Kollektive. Doch was dies genau bedeutet und was die Klimabewegung tun kann, um in der Überwindung des Kapitalismus tatsächliche Fortschritte zu machen, da scheinen die Antworten noch nicht ausgereift. Bei den Wahlen oder entsprechenden Abstimmungen mangelt es nicht an Ideolog:innen, welche uns weismachen wollen, dass die Annahme einer Vorlage oder das Wählen gewisser Personen das ganze schon richten kann. Auch vermeintlich antikapitalistische Parteien bleiben jedoch innerhalb des Systems, solange sie dessen Werkzeuge gebrauchen und keine Alternative aufbauen - wir reden von den Reformist:innen, welche vor allem in der sozialdemokratischen und grünen Partei, sowie ihren Jungparteien zu finden sind. Daneben gibt es mittlerweile eine Fülle von Strategien, welche in der Klimabewegung präsent sind - von Strassendemos über Streiks in Betrieben bis hin zu Besetzungen und im Ausland auch teilweise Übernahme von Betrieben durch die Arbeiter:innen. Die Bilanz ist bisher jedoch ernüchternd, mit jedem Jahr schlittern wir näher ans Disaster und notwendig, grosse Erfolge bleiben weitestgehend aus


Damit aber System Change nicht nur ein leerer Slogan bleibt, braucht es letztlich eine Revolution. So viel ist klar. Doch zwischen dem Ausgangspunkt heute und dieser Revolution gibt es unzählige Zwischenschritte - Erfolge wie Niederlagen - und alle fortschrittlichen Bewegungen müssen in einen revolutionären Prozess eingebunden werden. In keinem Falle kann eine Revolution jedoch siegreich sein ohne eine kommunistische Massenpartei, welche die Kämpfe anführt, ihnen Kontinuität und einen organisierten Ausdruck gibt. Ansonsten werden Kämpfe und Bewegungen immer wieder notwendigerweise durch das System umgelenkt, oder aber es wird ihnen mit zunehmender Repression begegnet, um sie einzudämmen und zu neutralisieren. Der Kapitalismus kann nicht spontan überwunden werden, dies kann nur durch das bewusste Handeln breiter Massen der Lohnabhängigen und der unteren Schichten der Bäuerinnen:Bauern  auf der ganzen Welt geschehen. Doch wie kann die Klimabewegung zu diesem Prozess beitragen; Was Tun?


Hier wollen wir zur Diskussion anregen und unsere Ansichten dazu teilen, wie die Klimabewegung voranschreiten und wahrhaft grundsätzliche Veränderung erzielen kann - ohne dabei behaupten zu wollen, alle Antworten bereits zu kennen. Wir möchten im Folgenden argumentieren, dass die Bewegung strategische und programmatische Einheit braucht, um nicht zu einer Sammlungen des “Kleinsten gemeinsamen Nenners” zu werden und ohne eine wirkliche Strategie zur Überwindung dieses zerstörerischen Systems immer wieder in Sackgassen zu laufen.


Der Klimastreik und seine Führung


Aber der Kimastreik hat doch keine Führung? Es geht um Partizipation und Konsensentscheidungen! Während wir verstehen, dass der Klimastreik keine allmächtige Geschäftsleitung hat, hat er doch immer eine Führung. Tatsache ist, dass man sich darauf geeinigt hat, dass gewisse Personen führende Rollen übernehmen. Und weder das kollektive noch das Bewusstsein der führenden Mitglieder entsteht im luftleeren Raum. Da wir im Kapitalismus leben und die reformistischen Massenparteien den weitaus grössten Einfluss in der Linken und damit auch in den linken Bewegungen haben, sind es auch diese Ideen, welche die grösste Rolle einnehmen. 

Warum zum Beispiel setzt der Klimastreik, welcher ja richtig sowohl den Systemwandel und CO2-Neutralität bis 2030 verlangt, bei jeder lauwarmen “Klima”-Vorlage alles daran, ein Ja zu erwirken? So arbeitete das Klimaschutzgesetz mit dem Ziel 2050 und enthält bei weitem nicht die Massnahmen, um selbst dieses Ziel zu erreichen. Die reformistischen Parteien, SP, Grüne und Co schritten voran und erzählten uns, wie wichtig die Vorlage sei. Aber wollt ihr uns eigentlich für dumm verkaufen? Es geht um viel mehr als ein Ja bei einer völlig ungenügenden Vorlagen (wie es auch die bisherigen waren), die zwar kritische Unterstützung verdient, die aber - selbst wenn(!) richtig umgesetzt - nur eine äusserst kleine Verbesserung zum Status Quo darstellt. Keinesfalls darf, wie es in weiten Teilen passiert ist, plötzlich enorme Hoffnung in ein System geschürt werden, welches gar nicht die Lösung der Klimakrise bieten kann. Wir müssen die Umleitung der Bewegungen durch das bürgerliche Parlament bekämpfen und uns nicht auf das kapitalistische System verlassen. Auch Initiativen wie die Initiative für eine Zukunft der JUSO haben diesen grossen Mangel, da sie sich auf die Umsetzung durch den bürgerlichen Staat verlassen. Es wird noch immer nicht darauf gesetzt, dass die arbeitende Klasse sich tatsächlich für solche Forderungen mobilisieren lässt. Auch wenn die Forderungen fortschrittlicher oder "transformierender" sind als andere, wird keine Gegenmacht zu deren Umsetzung aufgebaut.


Wir haben einen Plan - oder nicht?


Mit dem Klima-Aktionsprogramm (Climate Action Plan; CAP) hat der Klimastreik 2021 ein Dokument veröffentlicht, welches für ein Netto-0 Klimaziel unter Einhaltung der Grenzwerte von 1.5 bzw. 2 Grad Erwärmung bis 2030 eine Fülle von Analysen, Massnahmen und Forderungen darbietet. In zwölf Kapiteln, welche verschiedene Sektoren für vorgeschlagene Massnahmen darstellen, werden insgesamt weit über 100 Forderungen vorgeschlagen. Das Selbstverständnis des CAP wird in diesem so formuliert:  


“Der Klima-Aktionsplan (CAP, eng. Climate Action Plan) ist ein andauerndes Projekt mit dem Ziel, heute eine gemeinsame Lösung für die Klimakrise zu finden und eine vereinte Vision für unsere Gesellschaft von morgen zu schaffen. Der CAP erhebt nicht den Anspruch, einen makellosen Masterplan darzustellen. Wir haben versucht, so umfassend wie möglich zu sein, aber der CAP toleriert auch ein gewisses Mass an Überschneidungen oder leichten Widersprüchen zwischen verschiedenen Massnahmen. Dennoch sind die wichtigsten Massnahmen sehr detailliert ausgearbeitet worden (...) Unser Plan beweist, dass es mit den vorhandenen Technologien und innerhalb demokratischen Strukturen möglich ist, bis 2030 netto null Treibhausgasemissionen zu erreichen” (s. 6)


Durch die Länge des Berichts und die Komplexität des Sachverhalts kann hier natürlich kein umfassender Überblick des gesamten CAP geboten werden. Trotzdem wollen wir eine Antwort und Kritik am Plan ausüben, um einen revolutionären Zugang zu Klimapolitik von den bestehenden Ansätzen im Klimastreik zu differenzieren. Dabei geht es im Grunde nicht um die einzelnen Massnahmen, welche teilweise durchaus sinnvoll sind, sondern um die Herangehensweise der Forderungen - an wen sie sich richten und wie sie formuliert werden. 


Wie der CAP richtig anerkennt, ist der Kampf für Klimagerechtigkeit nicht einfach technischer Natur, bezieht sich also nicht nur auf die Energie- und Transportinfrastruktur und die Produktions- und Reproduktionszyklen, welche für die Energiebedürfnisse der Gesellschaft notwendig sind. Wie das breite Bewusstsein der Klimabewegung es im Begriff des System Change schon ausdrückt, geht es bei der Veränderung der Welt im Sinne des Klimas primär auch um soziale und politische Verhältnisse. Wessen Interessen und Handlungen stehen zwischen dem hier und jetzt und einer klimagerechten Welt, die wir anstreben? Wir können nicht dabei stehen bleiben, einzelne Personen zu kritisieren, ob dies den individuellen Konsum oder Politiker:innen betrifft - denn ein Wandel auf grösserer Ebene ist notwendig.


Interessant für diese Betrachtung ist vor allem das neunte Kapitel des CAP,  welches unter dem Titel “Wirtschaftliche und politische Strukturen” ziemlich umfassende gesellschaftliche Veränderungen vorschlägt. Dort werden unter anderem Massnahmen der Postwachstumsströmung, wirtschaftliche Massnahmen wie die massive Arbeitszeitverkürzung, die Förderung genossenschaftlicher Unternehmen und eine Stärkung der Care-Arbeit vorgeschlagen. Auch werden Klimapläne der Klimaallianz, der grünliberalen Partei und der Sozialdemokratie kritisiert, da diese gemäss der Ernsthaftigkeit der Lage keine genügenden Massnahmen beinhalten. Ein solcher Vergleich der Klimaprogramme verschiedener Kräfte in der Schweiz ist sehr zu begrüssen, da es den Ausdifferenzierungsprozess vorantreibt, welcher nötig ist, um ein wirklich revolutionäres Programm gegen den Klimawandel und die treibenden Kräfte dahinter auszuarbeiten. Auch gibt es einen fassbaren Einblick darüber, was zumindest ein Teil des Klimastreiks unter dem Begriff des Systemwandels versteht. So steht im CAP:


“Accepting the scientific consensus also means to accept that small, individual changes will just not make it, but a structural redefinition of our economic system is inevitable if we truly want to limit climate change. We therefore need to envision a new economic model based on the reassurance that our labor is able to generate communal welfare without the necessity of ever-expanding material throughput. At the core of any climate policy adhering to a just transition must lie a plan to redistribute the wealth and fruits of societal production and reproduction equitably: a social economy” (s. 308)


Es wird zwar zugegeben, dass der Kapitalismus und sein Staat kein Interesse an der Durchführung solcher notwendiger Massnahmen hat, jedoch werden tieferliegende Gründe nur über Mittler-Merkmale wie den fossilen Kapitalismus angedeutet. Dies bedeutet, dass statt direkt die Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Systems zu betrachten - Widersprüchlichkeiten wie beispielsweise die Externalisierung schädlicher Faktoren des Systems in die Natur, in die unbezahlte Care Arbeit und in die Halbkolonien - werden diese durch vermittelnde Charakteristiken des Systems erklärt. Dass kapitalistische Unternehmen also die Natur und das Klima im Prozess der Kapitalakkumulation zerstören, wird im CAP erwähnt, aber nicht aus den Bedingungen der Produktion, welche die Interessen des Kapitals vorgeben, erklärt. Stattdessen wird sie nur einem Aspekt des kapitalistischen Systems zugeteilt, bspw. dem fossilen Kapitalismus. Auch die Grenzen des “grünen Wachstums” werden aufgezeigt, doch stattdessen werden im Rahmen des kapitalistischen Systems Postwachstumsansätze vorgeschlagen. 


Dies alles zeugt von einer selbst zugegebenen Heterogenität des CAP, welche in der Eigenwahrnehmung als Stärke aufgefasst wird. Durch die Breite der Forderungen und Ansätze sollen verschiedene Interessengruppen in die Entwicklung und Umsetzung notwendiger Massnahmen miteinbezogen werden. Die Frage des Subjekts solcher Veränderung bleibt aber offen. Unserer Überzeugung nach nach kann nur die Arbeiter:innenklasse ein solches Subjekt darstellen. Dafür müssen aber auch Gegenmachtstrukturen aufgebaut werden, in welchen diese Klasse auf die Verwaltung der Gesellschaft kollektiv und demokratisch vorbereitet wird, um dieses System endgültig mit ihrem eigenen - dem Sozialismus - zu ersetzen. Wichtig wäre die Formulierung eines revolutionären Subjekts auch für den CAP. Das Ziel des Heterogenität war ja, möglichst viele Leute bei ihrem “Ist-Zustand” abzuholen - das wurde aber nicht erreicht, stattdessen nimmt die Mobilisierungskraft der Klimabewegung ab. Da sich aber niemand vom CAP direkt angesprochen fühlt und dieser selbst keine wirkliche Anleitung zum Handeln bietet, nutzt er auch nicht dem Kern der Bewegung.


Die Konsequenz und Problematik dieser Widersprüche innerhalb des CAP - auf der einen Seite das Aufzeigen eines notwendigen Systemwandel, auf der anderen Seite das Verbleiben in einem angepassten Kapitalismus - wird deutlich anhand der genauen Ausformulierung der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. Aus sozialistischer Perspektive ist diese eine essenzielle Forderung; auf der Seite der Produktion kann damit die klimaschädliche Überproduktion verringert und die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf mehr Personen verteilt werden (und somit Arbeitslosigkeit/Unteranstellung ausgelöscht werden), auf der Seite der Reproduktion bietet eine Arbeitszeitverkürzung die Möglichkeit für Arbeiter:innen, mehr Zeit für die notwendige Care Arbeit aufzubringen, welche wie schon erwähnt mit der voranschreitenden Klimakrise immer notwendiger wird und durch die sexistische und rassistische Unterdrückung vermehrt FINTA*- und rassifizierten Personen zufällt. Die Frage nach der Arbeitszeit, ob dies den Arbeitstag, die Arbeitswoche oder den mit Lohnarbeit verbrachten Teil des Lebens betrifft, kann für Sozialist:innen nicht ausserhalb der Frage der Klassenverhältnisse gestellt werden. Wie diverse andere Aspekte der Arbeitsbedingungen ist auch die Arbeitszeit letztlich das Produkt von Kräfteverhältnissen zwischen den Klassen. Da sich die arbeitende Klasse dadurch auszeichnet, dass sie nur vom Verkauf der eigenen Arbeit lebt und keine bis wenig andere Quelle des Einkommens hat, ist ganz klar entscheidend, ob für den Lebenserwerb 40, 60 oder 80 Stunden gearbeitet werden muss - auf der anderen Seite möchte das Kapital aus den einzelnen Arbeiter:innen natürlich möglichst viel Arbeitszeit herauspressen. Diese Frage der Klassenverhältnisse wird im CAP jedoch grösstenteils ausgeklammert - und wieder stellt sich die Frage; wenn eine Reform gegen den Willen des Kapitals ist, warum sollte der bürgerliche Staat sie umsetzen? Und auch wenn die Arbeitenden davon profitieren sollen, warum richten sich die Forderungen dann nicht auf die Selbstorganisation (was nicht ergänzende, unmittelbare Minimalforderungen an den Staat ausschließt)? Die Forderung der Arbeitszeitverkürzung steht den Interessen des Kapitals direkt entgegen und wird daher vom bürgerlichen Staat nicht einfach so umgesetzt werden. Nur durch den Druck der Arbeiter:innenklasse, durch ihre Selbstorganisierung und Streiks, können wir eine Arbeitszeitverkürzung durchsetzen. Auf ebendiese Selbstorganisierung der Lohnarbeiter:innen hinweisend sollte daher die Forderung formuliert und strategisch hingearbeitet werden. Die radikale Arbeitszeitverkürzung muss letztlich als Übergangsforderung gestellt werden. Das bedeutet, sie zu verbinden mit der Selbstverwaltung: eine demokratische Kontrolle der Arbeiter:innen über ihre Arbeitszeit. Dies bringt die Forderungen auch in Zusammenhang mit einer demokratischen Planwirtschaft und einer Rätedemokratie. Denn nur unter solchen Bedingungen kann die Arbeiter:innenmacht gesamtgesellschaftlich erkämpft werden. Auch wird die Lohnkürzung im Zusammenhang mit Arbeitszeitverkürzung im CAP teilweise in Kauf genommen. Zwar sollen Lohnkürzungen durch Verbesserungen in der Produktivität nicht verhältnismässig zur Abnahme der Arbeitszeit sein - doch jede Lohnkürzung bedeutet letztlich, dass mehr Geld und damit mehr Macht bei der Kapitalist:innenklasse bleibt. Was also eigentlich eine Forderung für soziale Gerechtigkeit sein soll, stellt sich durch die falschen Überlegungen als strategische Sackgasse dar. 


Dies soll nur exemplarisch aufzeigen, wie auch vermeintlich gute oder radikale Forderungen nicht genügen. Wenn wir es ernst meinen mit dem Systemwandel und einer “ökosozialen Transformation” müssen wir uns ernsthaft Gedanken über die strategischen Ansätze und Akteur:innen dieser Prozesse machen. Der CAP in seiner jetzigen Form drückt letztlich das reformistische Bewusstsein der Führung des Klimastreiks aus - das kapitalistische System wird nicht in seiner Ganzheit gefasst, sondern nur in seinen diversen Einzelteilen, der Wald wird vor lauter Bäumen nicht gesehen. Der Gedanke, dass am System einfach herumgebastelt werden kann und die demokratischen Institutionen dazu fähig sind, ist eine gezielt verbreitete Ideologie in bürgerlichen Demokratien, um oppositionelle Bewegungen in systemkonforme Bahnen zu lenken. In genau diese Falle tappt der CAP.


Ohne Verbindung von politischem und ökonomischem Kampf geht nix!


In unseren unseren strategischen und programmatischen Überlegungen müssen wir nicht nur die unmittelbaren Ziele einer Mobilisierung im Sinn haben - ob es nun eine Demo oder Besetzung etc. ist - sondern auch, welche Stossrichtung diese Bewegung braucht, um weiterzukommen. Wir müssen uns also fragen: was sind die Bedingungen, sodass die Forderungen der Klimabewegung erfolgreich erkämpft werden können. Zu diesen programmatischen und strategischen Überlegungen gehört sowohl die Radikalisierung der Methoden, als auch die Ausweitung der Bewegung auf neue Sektoren der Arbeiter:innenklasse. Die spontanen Kämpfe für Klimagerechtigkeit können an verschiedenen Orten aufbrechen, gerade Schüler:innen und Studis sind aktiv in der Bewegung, in jedem Fall ist es nötig die Bewegung bspw. auf die Lehrkräfte und Angestellten der eigenen Bildungsanstalt ausgeweitet wird, aber auch in der privaten Wirtschaft, im Care-Bereich etc.  Es braucht einen ökonomischen Kampf. Das bedeutet: die Arbeiter:innen, welche vielleicht ihrem momentanen Bewusstsein nach Klimapolitik nicht als erste Priorität haben, oder wenn, dies nicht mit ihrer tagtäglichen Tätigkeit in Verbindung setzen, müssen in den Streik treten und im weiteren ihre Firmen besetzen - um so entweder Druck auf die Kapitalist:innen auszuüben, welche wiederum ein vielfaches mehr an Kontrolle auf die Politik haben als (nicht)Bürger:innen der arbeitenden Klasse, oder gar deren Macht zu entreißen, sie demokratisch und direkt zu Enteignen. Damit sind idealerweise natürlich Arbeiter:innen im fossilen Sektor gemeint, die unmittelbar an den Hebeln der fossilen Infrastruktur stehen. Doch die Arbeiter:innen sind an allen entscheidenden Umschlagstellen der kapitalistischen Ordnung diejenigen, welche die Befehle des Kapitals tatsächlich ausführen: ob in der Energieproduktion, dem Transportwesen, der Konsumgüterproduktion, dem Verkauf etc. - überall also, wo die Umwelt für Profite zerstört und das Klima angeheizt wird.


Die Arbeiter:innenklasse für den Kampf für eine nachhaltige Produktion zu gewinnen, ist natürlich keine einfache Sache - und wir können nicht einfach warten, bis die breite Masse der Arbeiter:innen spontan in einen solchen Kampf tritt. Die bestehenden Aktionen zeigen, dass eine Fülle von Methoden die Bewegung weiterbringen kann. Doch nur weil es schwierig ist, darf es nicht ignoriert werden. Schliesslich sind es auch zum aller grössten Teil Mitglieder der arbeitenden Klasse, welche an Demos gehen, Besetzungen und Störungen machen oder überhaupt in irgendeiner Weise Teil der Bewegungen sind. Warum aber immer sanktioniert in “der” Klimabewegung? Warum werden die Arbeiter:innen nicht dort mobilisiert, wo sie tagtäglich sowieso sind? Um den Kapitalismus zu überwinden, brauchen wir mehr als einfach nur diese Demo oder jenen Appell - wir müssen uns tatsächlich und konkret nicht nur gegen den Kapitalismus organisieren, sondern auch Strukturen aufbauen, welche das Potenzial haben, diesen zu ersetzen. Um es genauer auszudrücken: sofern die Klimabewegung ihr Ziel des System Change erreichen will, muss sie als Arm einer breiteren revolutionären Bewegung agieren. Die Ziel der revolutionären Bewegung muss es sein, Gegenmachtstrukturen aufzubauen, also Organe der Arbeiter:innen (ob am Arbeitsplatz, im Quartier, in der Schule etc.), welche die breite Masse repräsentieren und einbinden und welche im revolutionären Prozess offen mit dem bürgerlichen Staat und damit dem Kapitalismus brechen können. Dies sind die Räte, oder Sowjets, welche das Rückgrat eines revolutionären Arbeiter:innenstaates bilden. 


Es gibt Ansätze in der Klimabewegung, welche diese mit der Arbeiter:innenbewegung verbinden wollen. Doch leider sind sie bestenfalls, wie bspw. im Strike for Future, auf symbolische Aktionen beschränkt, die mit der Gewerkschaftsbürokratie abgesprochen werden. Wie wir uns jedoch im Kampf um die politische Transformation - sodass Klimaschutzmassnahmen vom Staat ergriffen werden - nicht auf die politische Führung der Arbeiter:innenklasse verlassen dürfen (also die reformistischen Massenorganisationen, SP und Grüne), so dürfen wir uns auch nicht auf die bestehende Gewerkschaftsbürokratie verlassen. Diese haben schon lange kein Interesse mehr daran, dass die Gewerkschaften tatsächlich in einen Kampf gegen das Kapital treten. Stattdessen versuchen sie schlicht, Arbeitskämpfe in juristische Debatten mit den Arbeitgebern umzulenken. Wenn gestreikt wird, dann in einem symbolischen Sinne, um die eigene Verhandlungsposition zu stärkend. Von einem tatsächlichen gewerkschaftlichen Kampf kann also gar keine Rede sein. Dies bedeutet nicht, die Gewerkschaften völlig abzuschreiben - sie können wertvolle Verbündete sein, und gerade wenn sich die Gewerkschaftsbasis radikalisiert, kann die Bürokratie gegen ihren Willen gezwungen werden, verschärfte Kampfmethoden anzuwenden. Jedoch muss das Ziel sein, durch den ökonomischen Kampf die Überholtheit der Gewerkschaftsbürokratie aufzuzeigen und die Selbstorganisation zu stärken - sodass die Führung der bestehenden ökonomischen Kämpfe überwunden werden kann. Nur so können wir den eigentlichen Kampf gegen den Kapitalismus führen, die reformistische Bürokratie in Parteien und Gewerkschaften haben sich dagegen im entscheidenden Moment immer wieder für die Verteidigung des Status Quo entschieden - diesem vorprogrammierten Verrat müssen wir uns bewusst sein.


Wald statt Schutt und End Fossil - Besetzungen; Strategie oder Taktik?


Besetzungen sind keine neuen Methoden im Repertoire verschiedenster Bewegungen und Kämpfe. In den letzten Jahren haben wir jedoch in der europäischen Klimabewegung eine gewisse Renaissance von Besetzungen unterschiedlicher Art gesehen. Die Zielsetzung ist dabei meist die gleiche: Die Infrastruktur und Funktionsweise des fossilen Kapitalismus soll gestört werden. In der Schweiz haben wir solche Besetzungen bei der Zürcher “Wald statt Schutt” Besetzung, End Fossil: Occupy oder auch bei den “Klimaklebern” gesehen. 


Alle drei dieser Beispiele zeigen jedoch auf ihre eigenen Weise die derzeitige Misslage der Klimabewegung, welche sich in diesen spezifischen Kämpfen ausdrückt. Bei den Klimaklebern ist das Ziel des Protests völlig falsch gewählt (weil der Fokus in der Essenz der individuelle Konsum und die Benutzung des Autos wird, anstatt systematische Treiber des Klimawandels). End Fossil: Occupy (EFO) war von Anfang an eine länderübergreifende Bewegung, welche sich an verschiedenen Orten unterschiedlich ausdrückte - in der Schweiz jedoch waren die Schul- und Unibesetzungen in Basel, Bern und Zürich faktisch nur symbolischer Natur und störten wenn überhaupt nur minimal den Alltag dieser Institutionen. Die Besetzung eines Teils des Rümlanger Waldes, um die Umwandlung dieses in eine Schutthalde zu verhindern, hat eigentlich sehr viel richtig gemacht - jedoch schmerzlich die repressive Kapazität des schweizer Staates aufgezeigt.


Die unmittelbare Überlegung von EFO macht Sinn, um Protest im engen Rahmen einer Studierenden- und Schüler:innenbewegung radikaler zu gestalten: versuchen, dort wo man ist, etwas zu verändern. Schulen und Universitäten sind nicht frei von ideologischen Einflüssen, auch was das Klima betrifft. Gerade Universitäten haben oft auch Elemente der privaten Finanzierung - unter anderem direkt durch fossile Firmen oder auch Banken. Die Entscheidung, seine eigene Bildungsinstitution zu besetzen, ist auch ein Versuch, in das eigene Leben einzugreifen und seine Mitmenschen in diesem Kampf zu organisieren. Es geht nicht mehr darum, im Abstrakten ein Bewusstsein zu schaffen oder den Staat zu etwas aufzufordern, sondern man muss sich mit den konkreten Verhältnissen in den Institutionen des eigenen Lebens befassen - was wird gelehrt und wieso? Was kann besser gemacht werden? Damit können die Schul- und Uni-Besetzungen eine Übung zur Gegenmacht sein: statt einfach auf die Schulleitung oder die darüber liegenden staatlichen Organe zu vertrauen, können z.B. Schüler:innen- bzw Student:innenversammlungen ins Leben gerufen werden, welche die Organisation selbst und direkt in die Hand nehmen. Dass Besetzungen aber wirklich erfolgreich sind und nicht nur einige Konzessionen vonseiten der Uni-/Schulleitung erlangen (wenn überhaupt), wäre ein Aufbau von demokratischen, kollektiven und partizipativen Strukturen nötig, die der Bewegung ausserhalb der Besetzung und der wenigen “Aktiven” eine Kontinuität gäben. Es soll also über die isolierten Besetzungen eine Struktur geschaffen werden, welche Bilanz ziehen kann, Methoden und Strategien diskutiert und somit auch aus “gescheiterten” Besetzungen gestärkt gehen kann. Während es sehr wohl überregionale und -nationale Strukturen der Bewegung gibt, sind diese nur sehr lose verbunden. Und da die Besetzungen praktisch der einzige Inhalt der Bewegung sind, gibt es wenig strategische und taktische Flexibilität. Dazu kommen drei Faktoren, welche der Langlebigkeit eines solchen Bewegung im Weg stehen: erstens sind die Bildungsinstitutionen nicht direkt im Produktionsprozess beteiligt, können also auch nur indirekt auf diesen Einfluss nehmen, zweitens sind die Bildungsinstitutionen nicht wirklich von den Schüler:innen und Student:innen abhängig sondern staatliche Institutionen, die Druckmittel der Universität sind also viel grösser als die der Besetzenden, solange der symbolische Rahmen nicht überschritten wird. Aus diesen Punkten ergibt sich drittens, dass die Motivation zur Beteiligung einer Bewegung, welche nichts erreicht, nur schwer gehalten werden kann - während es immer einen “harten Kern” geben mag, braucht eine Besetzung eben genau eine massenhafte Beteiligung, um aus dem symbolischen Rahmen überhaupt ausbrechen zu können. 


Im “Wald statt Repression” Projekt sehen wir, wie Organisator:innen, Beteiligte und Sympathisant:innen der Waldbesetzung ähnliche Probleme in ihrem Kampf erkennen und nicht die Besetzung als einzige Aktionsform wählen. Die neue Kampagne richtet sich gegen die Repression an den Besetzer:innen, welche bspw. über die finanzielle Bürde der Räumung durch die Polizei auch einen indirekte Form annehmen kann. Dies ist umso wichtiger im Kontext eines Rechtsrutsch in der Politik und einer Verschärfung der Repression in ganz Europa - gerade die Solidaritätsbewegung mit Gaza hat gezeigt, dass auch hier in der Schweiz drastische Einschränkungen in die Versammlungs- und Redefreiheit nicht unmöglich sind. Doch das Problem sehen wir hier von der anderen Seite; die Besetzenden wurden in die Defensive gedrängt und müssen sich nun vor der Repression verteidigen, dank der schnellen Räumung des Waldes konnte die Besetzung auch nicht erfolgreich sein. Wiederum gibt es nicht die Möglichkeit eine Bewegung aufzubauen, welche auch eine effektive Besetzung durchführen kann, sich breiter aufstellt und so die Linie der Defensive in den Wald selbst trägt. Hier ist auch klar zu sehen, welche Gefahren es mit sich bringt, wenn ein radikaler Teil der Bewegung mit einer durchaus richtigen Stossrichtung sich von der grösseren Bewegungen “absondert” - denn die Kooperation mit dem viel weitreichenderen und einflussreichen Klimastreik ist nunmehr nur punktuell gegeben. An der Bundesplatzbesetzung 2020 war zu sehen, dass eine Besetzung (hier jedoch wieder in symbolischer Form) dieser Bewegung viel mehr Reichweite hat - geschweige davon, dass der Klimastreik enorm höhere Ressourcen besitzt als kleinere Kollektive und Gruppen. 


Der einzige Weg, um Besetzungen erfolgreich zu gestalten ist letztlich der Aufbau einer geeinten und revolutionären Massenbewegung. Kleinere Besetzungsbewegungen können zwar einen heroischen Leuchtturmeffekt haben, erreichen aber viel weniger Menschen mit ihrer Message und sind nicht wirklich inspirierend, wenn sie primär das repressive Potenzial des Staates aufzeigen - vielmehr schreckt das ab. Wenn sie jedoch nur symbolisch bleiben, dann kann sich auch kein Bewusstsein entwickeln, das Klimaaktivist:innen einen greifbaren Einfluss auf Bereiche ihres Lebens üben können, wenn sie gemeinsam und entschlossen handeln. In Lützerath haben wir gesehen, wie eine Bewegung zwar in ihrem unmittelbaren Ziel der Verhinderung fossiler Infrastruktur scheitern kann, trotzdem die Bewegung potenziell voranbringen kann. Gerade deshalb war es ein so inspirierendes Ereignis, aus dem es noch vielmehr zu lernen gibt, als der momentane Diskurs es zulässt.


Auch wenn die Räumung gelang, so ging das Ziel, die Bewegung zu spalten, nicht auf. Im Gegenteil: Die Repression führte zu einer massiven Solidarisierung mit der Besetzung, einem Gefühl der Gemeinsamkeit aller Demonstrant:innen, ob nun radikaler Linker, entschlossener Aktivist:innen, Gewerkschafter:innen, Mitgliedern von Umweltverbänden, der Linkspartei oder enttäuschten Basismitgliedern von Grünen und SPD. Aus Sicht antikapitalistischer Klimapolitik bedeutet Lützerath einen moralischen, inhaltlichen Sieg, weil eine breite, sich radikalisierende Massenbewegung sichtbar wurde, die nach der Räumung sicher nicht verschwinden wird. (https://arbeiterinnenmacht.de/2023/01/19/luetzerath-ist-zerstoert-wir-sind-es-nicht/)


Revolutionäres Programm und revolutionäre Strategie gegen Klimakrise


Um nun in Unterscheidung zu diesen bestehenden Strömungen in der Klimabewegung eine revolutionäre Strategie zu formulieren müssen wir uns einiger Grundsätze klar werden. In erster Instanz muss die Klimabewegung Teil einer breiteren revolutionären Strömung in der Arbeiter:innen und den sozialen Bewegungen werden. Ziel einer revolutionären kommunistischen Bewegung, angeführt von der Avant Garde der Klasse organisiert in einer Kaderpartei, muss immer der Aufbau der Organe der Arbeiter:innenmacht sein. Letztlich kann die Masse der Arbeiter:innen erst in einer revolutionären Periode in den Kampf treten und solche zu Doppelmachtorganen machen, welche in Opposition zum bürgerlichen einen neuen, sozialistischen Staat darstellen können. Doch der Klimawandel, wie andere Themen der breiteren ökologischen Bewegung, kann auch von bürgerlichen Elementen aufgenommen werden. Der Naturschutz kann sehr wohl auch für das Kapital langfristig von Vorteil sein. Der klarste Ausdruck ist die grünliberale Partei, welche versucht der bürgerlichen Politik einen grünen Anstrich zu geben. Bürgerlicher Klimaschutz kann aber in der Regel nur dann durchgesetzt werden, wenn keine mächtigeren Kapitalien um die betroffene Natur konkurrieren. Deshalb kann die bürgerliche Politik nirgends eine klare Antwort gegen den Klimawandel darstellen  - letztlich erlaubt nur ein kollektiver Abbau der fossilen Energieträger überhaupt die Möglichkeit einer “friedlichen” Transformation (dies wiederum benötigt eine Planwirtschaft). Solange der grüne Umbau dem Markt und seiner inhärenten Konkurrenz überlassen bleibt, bestehen viel grössere Anreize von billiger und verfügbarer fossiler Energie gebrauch zu machen - egal wie viele Subventionen der Staat einsetzt, um die nachhaltigen Branchen konkurrenzfähiger zu machen, die fossile Energie verliert  wenn überhaupt nur viel zu langsam ihre Stelling auf dem Markt. 


Wenn wir uns die bürgerliche Demokratie als Medium der Veränderung im kapitalistischen System anschauen, dann überrascht es nicht, dass diese so langsam oder gar nicht handelt. Der schweizer Demokratismus mag erfolgreicher als in anderen Ländern die Ideologie verbreiten, dass die Demokratie nicht inhärent einem Klasseninteresse dient und somit für verschiedenste Anliegen als Werkzeug gebraucht werden kann. Trotzdem ist auch hier allen bewusst, welchen Einfluss Kapitalinteressen spielen - die Wahl Albert Röstis als fossilem Lobbyisten in den Bundesrat zeigt dies klar und deutlich. Während viele keine übermässigen Illusionen in das parlamentarische System und die direkte Demokratie setzten, wird es oftmals als wichtig genug erachtet, sodass auch radikale Kräfte noch diese Instrumente brauchen wollen. Auch wenn keine Initiative gestartet wird, werden doch Abstimmungskämpfe geführt, es wird in Reden ein Appell an “die Politik” formuliert und zum Handeln aufgefordert wird. Denn würde “die Politik”, die bürgerliche Demokratie handeln, so wäre das ganze schon einfacher - doch es wird keine Strategie formuliert, wie “die Politik” auch zum Handeln bewegt werden soll. Zwei Dinge dürfen nicht verwechseln werden; Druck auf die Institutionen der bürgerlichen Demokratie - die Regierung, das Parlament, Konzerne etc. - auszuüben ist nicht dasselbe, wie der Versuch, durch die demokratischen Mechanismen etwas zu ändern. Beides sind zwar Taktiken, welche zu verschiedenen Zeitpunkten valide eingesetzt werden können, momentan besteht aber in der Klimabewegung kaum eine strategische Einheit über diese. Ersteres ist aber nicht einfach Beteiligung am bürgerlichen politischen System, sondern kann im gleichen Atemzug dazu nutzen, alternative Weisen der Organisation für die Erreichung der Ziele der Bewegung vorzuschlagen. Letzteres ist zwar immer eine Beteiligung am System, kann jedoch auch als Podium für revolutionäre Agitation und Propaganda verwendet werden - also als Etappe im Kampf um Arbeiter:innenmacht, nicht ein Ersatz dazu.


Der Reformismus in der Klimabewegung drückt sich dadurch aus, dass der Kampf für alternative Machtstrukturen vollständig umgangen wird. Der Begriff des Systemwandels wird vielleicht gebraucht, nicht jedoch mit Inhalt gefüllt - eine Änderung am System soll selbst ein neues System sein, gleichzeitig wird nicht aufgezeigt, wie diese Änderungen, also Reformen, überhaupt erwirkt werden sollen. Der Verfall in den Reformismus ist letztlich ein Verfall in systemkonforme Bahnen, in welcher sich Bewegungen im Sinne der Einheit hinter ein Minimalprogramm versammelt - dieses kann zwar inhaltlich ganz gut sein, niemals aber die eigentlichen Probleme lösen, die es anspricht. Minimalforderungen im Klimakampf sind bspw. Sanierungsbudgets, Klimasubventionen, einzelne Energieprojekte. Die Bewegung gibt in dieser Einheit und dem Fokus auf die demokratischen Mechanismen die Möglichkeit auf, parallel als Macht gegenüber dem kapitalistischen System aufzutreten. Stattdessen werden einige Verhandler:innen aus ihren Kreisen bestimmt um mit den Kapitalist:innen und den Bürgerlichen ins Gespräch zu treten - im besten Falle auch mitzuverwalten. In den allermeisten Fällen einer solchen Umlenkung von Bewegungen in systemkonforme Bahnen wird über die Zeit die Mittelpunkt der Strategie in diese Mitverwaltung gelegt und der Kampf gegen das System wird völlig aufgegeben, um gewisse Mindestkonzessionen zu erlangen. Bei der Klimakrise haben wir es jedoch mit einem “perfekten Sturm” zu tun, in welchem es eigentlich keine Mindestforderungen gibt - die völlige Umstellung des Systems ist die Mindesforderung. Desto klarer sollten wir also diese reformistischen Strategien ablehnen, welche diese Umleitung für völlig ungenügenden Forderungen vorantreiben, ganz nach der Formel des “kleineren Übels”. Oder um Rosa Luxemburg sprechen zu lassen:


Wer sich daher für den gesetzlichen Reformweg anstatt und im Gegensatz zur Eroberung der politischen Macht und zur Umwälzung der Gesellschaft ausspricht, wählt tatsächlich nicht einen ruhigeren, sicheren, langsameren Weg zum gleichen Ziel, sondern auch ein anderes Ziel, nämlich statt der Herbeiführung einer neuen Gesellschaftsordnung bloß unwesentliche Veränderungen in der alten (...)


Vielleicht behalten aber die obigen Sätze über die Funktion der gesetzlichen Reform und der Revolution ihre Richtigkeit bloß in bezug auf die bisherigen Klassenkämpfe? Vielleicht ist von nun an, dank der Ausbildung des bürgerlichen Rechtssystems, der gesetzlichen Reform auch die Überführung der Gesellschaft aus einer geschichtlichen Phase in eine andere zugewiesen und die Ergreifung der Staatsgewalt durch das Proletariat „zur inhaltlosen Phrase geworden“ (...) Das gerade und direkte Gegenteil ist der Fall (...) Man wird in unserem ganzen Rechtssystem keine gesetzliche Formel der gegenwärtigen Klassenherrschaft finden (...)Wie also die Lohnsklaverei „auf gesetzlichem Wege“ stufenweise aufheben, wenn sie in den Gesetzen gar nicht ausgedrückt ist? Rosa Luxemburg, Sozialreform oder Revolution?


Wir wollen im gleichen Sinne fragen: wie die Klimaschädlichkeit des Kapitalismus gesetzlich überwinden, wenn diese nicht explizit im Gesetz steht? Die notwendige Expansion im Kapitalismus basiert auf fossiler Infrastruktur. Fossile Energien sind relativ billig und einfach zu transportieren, Alternativen auszubauen hindert kurzfristig den Profit - da dies für jede:n einzelne:n Kapitalist:in den Ruin bedeuten kann (weil sie in der kapitalistischen Konkurrenz hinter die Anderen zurückfallen könnten) besteht die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Marktwirtschaft darin, so wenig wie möglich zu tun. Wir unterstützen natürlich alle Forderungen, auch wenn es Reformen sind, welche der Klima- und Naturzerstörung entgegenwirken. Wir dürfen aber den Institutionen des kapitalistischen Staates nicht bei der Bekämpfung von Klimawandel und Naturzerstörung vertrauen - denn es sind dem Kapitalismus inhärente Mechanismen der Profitlogik, der irrationalen Produktion und der Konkurrenz, die sie verursachen. Daher müssen wir bei Reformen wie dem Klimaschutzgesetz in erster Linie dessen Unzulänglichkeit aufzeigen - und dass diese dem kapitalistischen System und seiner politischen Ausprägung inhärent sind. Wenn wir also Dinge vom System einfordern - das kann sowohl eine Bewegung auf den Strassen sein, welche den Staat zum handeln antreiben will, ein Streik welcher den Chef zu höheren Lohnzahlungen zwingen will oder eben die parlamentarische Arbeit, die Lancierung von Initiativen und das Aufstellen von Parlamentarier:innen - dann müssen diese Änderungen am System zur Ermächtigung der Arbeiter:innen führen. Das zentrale strategische Ziel einer system-überwindenden Bewegung muss es sein, die grossen Massen der Bevölkerung für die Verwaltung ihrer eigenen Zwecke zu mobilisieren. Von den Minen im globalen Süden, welche Kohle, Uran und Edelmetalle unter gefährlichen Bedingungen aus der Erde graben, über die Grosskonzerne hier im Westen welche sie weiterverarbeiten und verkaufen bis zu den internationalen Grossbanken, welche den Produktionsprozess finanzieren, müssen wir die kollektive Kontrolle der Produktion fordern. Denn die Arbeiter:innenklasse stellt die unglaubliche Mehrheit der Weltbevölkerung dar und sie hat im Gegensatz zum Kapital, welches die Produktion einzig und allein für Profit dirigiert, ein klares Interesse daran, die Produktion so zu gestalten, dass sie nicht zur Zerstörung der Lebensgrundlage der Menschen wird.

Ein erster Schritt in diese Richtung kann nur getan werden, wenn die Klimabewegung sich ernsthaft der Diskussion eines revolutionären Programms stellt. Anders als der CAP sollte dieses nicht einfach ein “Buffet” an Forderungen darstellen, welche alle als “gut genug” eingestuft werden aber in keiner substantiellen Verbindung stehen. Ein Programm muss die Ziele der Bewegung, sowohl die unmittelbaren wie auch die weiter entfernteren, formulieren um sowohl eine geeinte Front gegen die Politik und die herrschende Klasse zu bilden als auch die Führung der Bewegung zu kontrollieren - arbeiten sie dem Programm der Bewegung zu oder ihm entgegen?

Doch eine Bewegung kann nicht nur ein Rahmen der Diskussion sein, sondern muss auch handlungsfähig sein. Die Diskussion um ein revolutionäres Programm findet sich jedoch letztlich in allen gemeinsamen Aktionen der Bewegung wieder. Die Klimabewegung steckt in einer Sackgasse und ist momentan nicht fähig, den notwendigen Systemwandel anzuregen oder selbst herbeizuführen. Während andere Aktionen, andere Propaganda und letztlich ein anderes Programm nicht sofort den Systemwandel erreichen können, müssen wir die Stossrichtung unserer gemeinsamen Interventionen in der Klimabewegung überdenken. Es ist zwar nicht einfach, die Arbeiter:innenklasse gegen die Klimakrise zu mobilisieren, aber hätten wir 2019 damit angefangen wären wir schon viel weiter damit - und in fünf Jahren wird die Klimakrise immer noch realität sein. Ebenso die proaktive Verbindung mit der Gewerkschaftsbasis, um auch gegen den Willen der reformistischen und systemkonformen Gewerkschaftsspitze eine Strategie des militanten Arbeitskampfes in den Gewerkschaften zu propagieren um gegen die Krise des kapitalistischen Systems, in ihren sozialen wie ökologischen Auswirkungen, zu kämpfen. 


Wir verstehen also die Aufgabe der Klimabewegung und damit die Herausforderung der Klimakrise nicht als abgesondertes Element des kapitalistischen Systems, welches für sich alleine genommen bekämpft werden kann. Die Herausforderungen der Klimabewegung sind letztlich die Herausforderung der kommunistischen Bewegung und in diesem Sinne müssen die verschiedenen Orte analysiert werden, an welchen die Arbeiter:innen in den Kampf treten und sich organisieren. Die traditionellen Massenorganisationen der Arbeiter:innen sind die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie, beide sind heute völlig reformistisch und systemkonform und bieten keine Strategie, um das System zu verändern - trotzdem sind sie de facto die Führung der Arbeiter:innenklasse, solange es keine revolutionäre Kraft schafft, zumindest relevante Teile der Massen in und um sich zu versammeln. Formulieren wir also die Lösung der Klimakrise als einzig machbar durch die Herrschaft der Arbeiter:innenklasse, dann muss eine solche Führung aufgebaut werden. 


Die konkreten Hindernisse einer revolutionären Strategie sind vielzählig. Denn sie richtet sich nicht einfach nur gegen “das System”, sondern konkrete Institutionen darin, welche dieses System aufrecht erhalten. Auch begnügt sich eine revolutionäre Strategie nicht damit, die “Linken” straflos davonkommen zu lassen - denn der Maßstab von “gut genug” und “der Bewegung wohl gesonnen” wird sich drastisch verschieben, sobald eine Klimabewegung auch die wirklich notwendigen Forderungen aufstellt und bereit ist auf allen Ebenen dafür zu kämpfen. Einen Vorschlag für ein Aktionsprogramm für die Klimabewegung in der Schweiz haben wir im Anhang formuliert. Es soll als Anhaltspunkt für eine beschrieben Diskussion dienen und darin unsere Position definieren.

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