top of page

website der

Marxistischen Aktion Schweiz

Schweizer Sektion der Liga für die Fünfte Internationale

Wer ist die Hamas und wie ist sie entstanden?

Palästinas Befreiungskampf ist untrennbar verbunden mit dem globalen Klassenkampf. Dies zeigt sich schon nur in der finanziellen, militärischen und ideologischen Unterstützung, die Israel geniesst. Es ist kein isoliertes Land, das autark existieren könnte, sondern schon weit vor seiner Entstehung ein amerikanisch-westeuropäischen Projekt mit einem ganz klaren imperialistischen Gedanken. Israel ist ein Stützpunkt des Grosskapitals, des Kapitalismus. Die endgültige Befreiung von Palästina ist somit nur möglich durch die endgültige Befreiung vom Kapital. Das hört sich vielleicht sehr plakativ an, aber auch der Weg dorthin folgt dieser Linie. Es braucht in der Linken weltweit eine genaue Analyse und ein klares Verständnis zu diesem Konflikt und auch zu der Rolle der Hamas.


1.    Die Ursprünge des Widerstandes


In den 50er und 60er Jahren formierten sich die ersten palästinensischen Parteien und Widerstandsgruppen, die wir heute kennen. 1957 wurde die Fatah gegründet, eine säkulare, linksorientierte Organisation, und 1964 die von der Arabischen Liga mitgetragene Palästinensische Befreiungsorganisation (Palestine Liberation Organisation, PLO). Die Fatah schliesst sich dieser 1967 an, im selben Jahr wird als Teil der PLO die marxistisch-leninistische, sich sozialistisch revolutionär verstehende Volksfront für die Befreiung Palästinas gegründet (People's Front for the Liberation of Palestine, PFLP). Dies ist kein Zufall.


1967 kam es zum Sechs-Tage-Krieg, wobei Israel sehr viele Gebiete eroberte: das Westjordanland, Ostjerusalem, Gaza, die Sinai-Halbinsel und die Golanhöhen. Es ist der Beginn der dauerhaften Besetzung der palästinensischen Gebiete in Gaza und dem Westjordanland. 1967 bedeutete einen Wendepunkt in diesem Konflikt und auch eine neue Realität für die palästinensische Bevölkerung. Enteignungen, Checkpoints und eine direkte militärische Besetzung stehen nun an der Tagesordnung. Logischerweise wuchs daraus der Widerstand, der in verschiedenen Formen auftrat: nationalistisch, islamistisch oder auch linkssozialistische. In den 1970er-Jahren dominierte die PLO unter Yassir Arafat (von der Fatah, die die PLO seit 1969 dominiert), worin sich linke, marxistische und säkulare Organisationen befanden. Antiimperialistische, klassenorientierte Positionen verbanden den Befreiungskampf von Palästina mit der globalen Befreiungsbewegung. Parallel dazu baute die ägyptisch inspirierte Muslimbruderschaft seit den 1970ern soziale Netzwerke auf in Gaza. Politisch hielten sie sich lange zurück und konzentrierten sich auf religiöse Erziehung.


Die Losung der palästinensischen Organisationen war lange dieselbe: der bewaffnete Widerstand alleine kann Palästina befreien. Auch sozialistisch-orientierte Gruppen wie die Fatah oder PFLP sahen den Rahmen des palästinensischen Kampfes innerhalb der nationalen Befreiung. Die Klassenfrage sei der Bildung eines Nationalstaates untergeordnet.

 

2.    Entstehung der Hamas


1987-1993 kam es zur Ersten Intifada – dem Volksaufstand gegen die israelische Besetzung des Westjordanlands und von Gaza. Es kam zu Streiks, Demonstrationen und zivilem Ungehorsam. Innerhalb eines Monats entstand die Hamas, um eine islamistische Führungsrolle des Aufstandes an sich reissen zu können. Die Hamas wurde somit zur islamistischen Alternative zur PLO. Indem sie bewaffneten Widerstand mit Wohlfahrtsarbeit verband, wurde die Hamas als sehr attraktiv wahrgenommen. Gegründet wurde sie von gebildeten Männern aus dem Kleinbürgertum (Ärzte, Lehrer, Geistliche etc.), die eng mit der Muslimbruderschaft verbunden waren.


Als Gründungsdokument gilt die Hamas-Charta von 1988. Hier die wichtigsten Punkte:

·  Palästina gilt als islamisches Land und der Kampf gegen Israel ist ein religiöses Gebot (Jihad)

·  Frieden oder Verhandlungen, die einen jüdischen Staat anerkennen, werden abgelehnt

·  Ziel ist keine Zwei-Staaten-Lösung, sondern ein islamischer Staat auf dem Gebiet des historischen Palästinas (Gaza, Westjordanland, Israel)

·  Die ursprüngliche Charta unterscheidet nicht sauber zwischen Zionismus (politische Bewegung) und Judentum (Religion).

·  Antisemitische Passagen, wo eine jüdische Weltverschwörung impliziert wird

·  Religion, also der Islam, gilt als einzige Grundlage des Befreiungskampfes

·  Frauen sollen Mütter und Erzieherinnen sein von künftigen Kämpfern. Das zeigt ein traditionell-patriarchales Frauenbild.

·  Ziel ist nicht eine reine militärische Bewegung, sondern eine Verbindung zu sozialer Arbeit

 

3.    PLO vs. Hamas


In den 1970/80er-Jahren betrachtete Israel die PLO als Hauptfeind, vor allem ihre marxistischen Fraktionen PFLP und DFLP (Demokratische Front für die Befreiung Palästinas, eine frühe Abspaltung der PFLP). Islamistische Gruppen dagegen wurden weniger streng befolgt, da sie damals nicht militärisch kämpften. Israelische Beamte haben sogar ausgesagt, dass bewusst islamistische Kräfte und Strukturen gefördert wurden, um die Linke zu schwächen.

Nach dem Oslo-Abkommen von 1993 erkannte die PLO Israel an, was bei vielen Palästinenser:innen als Verrat angesehen wurde. Die Hamas gewann dadurch nochmals an Popularität. Sie gelten unter breiten Schichten als die “entschlossensten Kämpfer”: Die Hamas baute militärische Strukturen auf und setzte besonders in der Zweiten Intifada von 2000-2005 auf Selbstmordattentate. Gleichzeitig wurden weiterhin Krankenhäuser und Schulen sowie Hilfswerke gebaut.

2007 kam es zu gewaltsamen Kämpfen mit der Fatah (welche nun die Administration der Palästinensischen Autorität im Westjordanland übernimmt, eine praktisch machtlose Marionettenregierung Israels) und seither gibt es eine doppelte Spaltung. Die Fatah kontrolliert das Westjordanland, die Hamas den Gazastreifen.

 

4.    Der Klassencharakter der Hamas


Die Hamas stützt sich zwar auf den ärmsten Schichten, die von ihrer Wohlfahrtsarbeit profitieren. Die Belagerung des Gazastreifens bedeutet, dass es nur minimale wirtschaftliche Entwicklung und damit auch wenig Möglichkeiten zur Lohnarbeit gibt. Grosse Schichten Gazas sind in engen urbanen Zentren konzentriert und von internationalen Hilfsgütern abhängig. Doch ihre Führungspersonen stammen fast ausschliesslich aus den kleinbürgerlichen und religiösen Schichten. Sie ersetzen die klassenbewusste Mobilisierung mit religiöser Einheit. Ihren Befreiungskampf sehen sie als einen nationalistischen und islamistischen Kampf – somit brechen sie einmal mehr mit dem Klassenkampf. Ihr Befreiungskampf wird leider nicht als Teil des globalen Klassenkampfes verstanden.

Während sich die Hamas so positioniert, dass sie gegen Israel ist, schwächte und schwächt sie immer noch gleichzeitig die linken, antiimperialistischen und revolutionären Kräfte. Wie so oft füllen dann religiöse Kräfte das Vakuum – ohne konkrete Strategie. Sie sind Ausdruck einer unglaublichen Unterdrückung und eines verzweifelten Widerstandes, doch sie sind weder fähig noch gewillt, das internationale Kapital zu brechen bzw. internationale Solidarität zwischen den Arbeiter:innen global aufzubauen. Im Gegenteil: Sie reproduzieren mit ihrer Ideologie autoritäre und patriarchale Strukturen.

 

5.    Was es braucht und was wir fordern!


Gegen Israels Genozid zu sein, bedeutet nicht, automatische die Hamas zu unterstützen, auch wenn die herrschenden Medien uns dies tagtäglich weismachen wollen. Gegen Israels Genozid zu sein, bedeutet, auch gegen die Hamas zu sein. Eine bewaffnete Verteidigung von Palästina unterstützen wir als MAS, was aber nicht heisst, dass die Hamas bedingungslos unterstützt werden soll. Mittlerweile, im Herbst 2025, sollte vielen Menschen klar geworden sein, welchen Druck die weltweiten Proteste und Aktionen ausüben können. Es ist aber nicht förderlich, dies einfach als blinde Abwehrreaktionen zu halten. Es braucht eine Strategie. Und diese Strategie verlangt auch, dass anerkannt wird, dass die Hamas Palästina nicht befreien kann. Weltweit sowie in Palästina sind es klassenkämpferische Strategien, die sich gegen das globale Grosskapital und FÜR EINE GLOBALE ARBEITER:INNENBEWEGUNG einsetzen, die diesem Schrecken ein Ende bereiten können. Erkennen wir also, dass der von Israel durchgeführte Genozid und der Befreiungskampf von Palästina verbunden sind mit dem kapitalistischen System und mit unseren Regierungen weltweit, dann bleibt eben nichts anderes übrig, als diesen globalen Widerstand aufzubauen. Der Feind ist nicht nur Israel, er steht auch im eigenen Land – bei unseren Milliardären und unseren Regierungen - und er heisst Kapitalismus. Proletarier:innen aller Länder vereint euch!

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Kommentare


bottom of page