Am 20. November begehen wir den Trans-Gedenktag, an dem wir der Transgender-Personen gedenken, die uns durch Transphobie entrissen wurden.
Wir gedenken derjenigen, die ihr Leben durch ihre eigene Hand verloren haben, oft getrieben von der Verzweiflung, isoliert in einer Gesellschaft zu leben, die sie unterdrückt. Wir denken auch an diejenigen, die durch die Hand einer anderen Person getötet wurden.
Unter den Opfern dieser Hassmorde sind unverhältnismäßig viele Transfrauen, rassifizierte Personen und Sexarbeiterinnen. Und der wahrscheinlichste Täter ist ein Cis-Mann. Jedes Jahr werden etwa 300 Opfer gezählt - was sicherlich eine große Unterschätzung ist, da viele der Opfer anonym und in Armut sterben. Ein weiterer Teil der Opfer lebte sicherlich auch „stealth“: ohne dass jemand außer ihrem Mörder ihre Transidentität ahnte.
Mit anderen Worten: Transphobe Gewalt äußert sich mehrheitlich als und in Übereinstimmung mit patriarchaler und rassistischer Gewalt Andererseits und entscheidend ist es die kapitalistische Gewalt, die es ermöglicht, Transgender-Personen zu deklassieren, bei der Einstellung zu diskriminieren und sie in schlecht bezahlte Jobs zu drängen.
Auf der ganzen Welt können wir eine krasse und gefährliche Tendenz sehen, welche die schmalen Errungenschaften der Trans-Community des letzten Jahrzehnts gefährden. Im Rahmen eines globalen Rechtsrutsches werden grundsätzliche Rechte entzogen, werden Transmenschen zu Sündenböcken aller Art verwendet (ob für die Wahl von Donald Trump, den westlichen Imperialismus, im Sport etc.) und wird der Kampf um ihre Existenz immer schwieriger. Die Krisen des imperialistischen Kapitalismus zwingen ihn zu einer Intensivierung der Arbeiter*innen - speziell des globalen Südens, aber auch der marginalisierten Schichten im imperialistischen Kern. Damit einher gehend greifen die Parteien der “neuen” und populistischen Rechten auf die reaktionären Tendenzen der Arbeiter*innenklasse zurück, um ihr die eigene Ausbeutung zu rationalisieren. Die Liberalen und reformistischen Linken üben dagegen entweder keinen Widerstand aus, oder Versagen völlig in der Umsetzung von zusätzlichem Schutz und elementaren Rechten für Transmenschen. In vielen Fällen übernehmen sie die Linie der Rechten.
In den USA beispielsweise erhalten Transgender-Frauen 60 % weniger Lohn als durchschnittliche Arbeitnehmer*innen - dies schließt also auch die ungerechtfertigt niedrigen Löhne von Cis-Frauen sowie von rassifizierte Menschen ein! In der Schweiz ist die Arbeitslosenquote von Transgender-Personen sechsmal höher als die der übrigen Bevölkerung. Transmenschen nehmen dann einen Beruf an, bei dem sie 30 bis 45 % weniger verdienen als vor der Transition.
Und wenn die Diskriminierung zu groß wird, wenden sich Trans-Personen (wie auch Cis-Frauen) der Sexarbeit als letzte Alternative zu, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. In den Vereinigten Staaten berichteten 13 % der Transfrauen, dass sie gelegentlich auf diese Weise arbeiten mussten. In diesen Fällen sind sie umso mehr Gewalt ausgesetzt, sei es wirtschaftlicher, sozialer (Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, Zugang zu medizinischer Grundversorgung, gewalttätige Begegnungen mit Polizisten), sexueller oder körperlicher Art.
Im Gegensatz zu den liberalen Gutmenschen verurteilen wir transphobe Gewalt nicht nur, wenn sie „schockierend“ ist, wie bei einer Beleidigung im öffentlichen Raum oder einem Mord. Wir sehen, dass sie aus einem ganzen System der Marginalisierung von Transgender-Personen hervorgeht und Teil des Kerns der kapitalistischen Ausbeutung ist. Die trumpistische Form der Geißelung des Wokismus und der Gender Studies ist nichts anderes als die politische Instrumentalisierung eines Sündenbocks, um die blutigste Diktatur des Kapitals über alle Arbeiter*innen zu errichten, aber mit einer wahnwitzigen Verbissenheit gegen alle unterdrückten Gruppen.
Aus diesem Grund verurteilen wir die US-Demokraten aufs Schärfste. Ihre nicht vorhandene Strategie zur Verteidigung von Transgender-Personen, die während der vierjährigen Präsidentschaft von Biden nicht umgesetzt wurde, hat nichts getan, um das Transgender-Apartheid-Labor in DeSantis' Florida zu blockieren. Die Untätigkeit der Demokraten hat die Verbreitung dieses mörderischen und kriminellen Programms in der westlichen Welt ermöglicht. Wir erleben die Konsequenz daraus, wenn die SVP-Genf vorschlägt, Transitionsmassnahen für Minderjährige zu verbieten.
Die Strategie der gemäßigten Stimmabgabe, um die fanatische extreme Rechte zu blockieren, hat ihre Grenzen aufgezeigt. Außerdem hatte sie in diesem Jahr dramatische Folgen: Die LGBTQ+ Jugend in den USA sah am Tag der Wahl Trumps keine Zukunft. So kam es, dass die LGBTQ+-Notrufnummern von Trans*-Jugendlichen überschwemmt wurden, die am Rande des Abgrunds standen. Ein Anstieg um 700 Prozent. Viele von ihnen nahmen sich das Leben. Die Überlebenden berichten von schrecklichen Geschichten, in denen sie an einem einzigen Tag mehrere Freunde verloren haben. Das Blut klebt an den Händen der Demokraten, die von der taktischen Kurzsichtigkeit des „vote blue no matter who“ profitieren.
Die letzten Wahlen in den USA führten zu einem ungewöhnlichen „Gender-Gap“. Kein Wunder, wenn einer der Kandidaten ein vehementer Befürworter des Abtreibungsverbots ist. Einige US-amerikanische Frauen haben sich daraufhin der 4B-Bewegung angeschlossen. Wir müssen unbedingt darauf achten, denn als Trump 2016 für seine erste Amtszeit gewählt wurde, führten Frauen in den USA Großdemonstrationen an, die den feministischen Streik in der Schweiz inspirierten.
Diese Bewegung, die aus Südkorea stammt-ein Boykott von sexuellen und romantischen Beziehungen mit Männern-entstand in einem ähnlichen Kontext des „Gender-Gaps“. Dieser sensibel klingende Boykott löst das Problem nicht an der Wurzel. Der Grund, warum junge koreanische Männer so sehr vom Machismo durchdrungen sind und danach streben, Patriarchen zu werden, sind die unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Ein Dienstmädchen im Haus zu haben, ist für den koreanischen Arbeiter eine unvergleichliche Erleichterung, für die koreanische Arbeiterin hingegen eine unvergleichliche Last.
Es ist verständlich, dass die Enttäuschung der männlichen Kollegen dazu führt, dass sie boykottiert werden. Es ist auch nicht falsch, wenn eine bestimmte Frau dies tut. Ihr Körper, ihre Entscheidung, schließlich. Allerdings kann dies nicht das Ende sein, da es die Schuld nicht dorthin verlagert, wo sie wirklich liegt: auf die Schultern der Kapitalisten von Samsung und Co. in Korea wie auch in den USA!
Darüber hinaus hat die 4B-Bewegung eine perverse Kehrseite. Ein solcher Boykott setzt 1) das heteropatriarchale Modell und 2) die essentialistische Rigidität der Geschlechterzuweisung voraus. Dies spiegelt sich in einer Vorstellung wider, in der der Mann der Feind ist, antithetisch zur cispatriarchalen empfangenen Frauen-Idee, die jede Transgender-Rechtsbewegung an der Wurzel angreifen muss.
Es ist unsere Aufgabe, der Ankunft dieser Bewegung in der Schweiz mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. In unserem Kontext wird diese Bewegung die Anfänge des militanten feministischen Bewusstseins, das der feministische Streik ermöglicht hat, ersticken. Die 4B-Bewegung drückt zwar ein legitimes Gefühl der Konfrontation mit der patriarchalen Ordnung aus, stellt aber ein Kampfbewusstsein dar, das dem des Streiks unterlegen ist, da es außerhalb der Kreisläufe der Klassensolidarität liegt und für TERF-Abweichungen anfällig ist. Der feministische Streik muss aufrechterhalten und verstärkt werden! Außerdem haben wir keine Alternative, als ihn von innen heraus durch unsere transinklusiven und revolutionären militanten Methoden zu verbessern, damit er angesichts der (angesichts der Siege der reaktionären und machistischen Parteien berechtigten!) Flutwelle der weiblichen Demoralisierung standhält.
Im Gegensatz zu „radikalen“ Feminist*innen sehen wir das Fehlen von „Passing“ auch nicht als Beweis für Tapferkeit oder Unterwanderung der Geschlechternormen, sondern vielmehr als Auswirkungen eines Versorgungssystems, das sich nicht um Transitionen kümmert. Im Gegenteil unterstützt eine solche Hervorhebung spezifischer (binärer, non-passing) Transmenschen das binäre Geschlechtermodell, indem es non-binäre Transmenschen quasi gleichstellt mit non-passing Transmenschen.Wir sind auch nicht der Ansicht, dass die Einhaltung der Pronomen - so notwendig sie auch ist - die Speerspitze der Transgender-Befreiung darstellt. Der Kampf für die Befreiung der Transmenschen in der kapitalistischen Gesellschaft kann weder durch reine Höflichkeit, noch durch demokratische Rechte alleine gewonnen werden. Auch eine Reduzierung auf die sozialen Forderungen wird ihnen nicht gerecht. Vielmehr müssen diese einzelnen Kämpfe zusammengeführt werden - der Kampf um Anerkennung in Gesellschaft und Staat als Transmenschen, sowie die soziale Emanzipation der gesamten Arbeiter*innenklasse.
Und im Gegensatz zu intersektionalen Reformer*innen lehnen wir es ab, einen Transgender-Partikularismus anzuerkennen, der einen völlig separaten Kampf erfordern würde. Die Gewalt, die wir beschrieben haben, ist in vielerlei Hinsicht eine bloße Verstärkung dessen, was andere unterdrückte Gruppen erleiden. Sie werden vom selben Kapitalismus beherrscht, der jeden Arbeiter ausbeutet, vom selben Patriarchat, das Frauen erniedrigt, vergewaltigt und tötet, die sich nicht in den Dienst eines Ehemannes stellen wollen, vom selben Rassismus, der alle rassifizierten Menschen deklassiert, überwacht und entmenschlicht.
Aus diesem Grund ist es nicht hinnehmbar, dass Transgender-Personen aus den Gewerkschaften vertrieben werden. Sei es wegen der vorherrschenden Transphobie oder der mangelnden Anerkennung von Sexarbeit. Transgender-Personen unterstützen massiv jede feministische Initiative, darunter auch den feministischen Streik, der weitgehend auf der gewerkschaftlichen Aktivistenbasis aufgebaut ist. Das Komitee der UNIL, das in vielerlei Hinsicht viel weiter links steht als der Rest der Bewegung, hat eine große Anzahl von Trans-Aktivist:innen in ihren Reihen. Es ist an der Zeit, dass sie von der gewerkschaftlichen und feministischen Bewegung als eine der kämpferischsten und fortschrittlichsten Schichten der Arbeiterschaft anerkannt werden. Das bedeutet, dass die Führung dieser Bewegungen für sie kämpfen und ihre Programme umsetzen muss und umgekehrt.
Deshalb fordern wir:
- Transphobie muss als Diskriminierungsgrund anerkannt werden! Es müssen Schutzmaßnahmen für Transgender-Personen aufgenommen und angewandt werden, die dem Gleichstelungsgesetz für Cis-Frauen entsprechen. Transphobie muss endlich als Grund für Hassverbrechen anerkannt werden und einen erschwerenden Umstand darstellen.
- Für einen angemessenen Sexualkundeunterricht, der nicht nur Heterosexualität, sondern auch Homosexualitäte und Transgender-Gesundheit umfasst.
Dies bedeutet auch eine radikale Umgestaltung des Gesundheitswesens. Wir brauchen eine einheitliche, öffentliche Krankenversicherung (die Einheitskrankenkasse), die ein bedingungsloses Recht auf Abtreibung, Menstruationsprodukte, Verhütung, geschlechtsbejahende Pflege und einen Mechanismus zur Bekämpfung von Sexismus, Transphobie und Rassismus im Gesundheitswesen beinhaltet. Damit Transgender-Kinder ein würdiges Leben führen können, müssen sie den gleichen Zugang zu Transition haben wie alle Erwachsenen!
- Für eine zivile Geschlechtsumwandlung, die mit einer einfachen behördlichen Erklärung und kostenlos durchgeführt werden kann. Für die Aufnahme einer nicht-binären Option!
- Für ein unveräußerliches Recht auf Wohnraum und Sozialsysteme für alle Arbeiter*innen in der Schweiz!
- Damit Transgender-Personen den gleichen Zugang zu Gewerkschaften haben wie Cisgender-Personen, müssen die Gewerkschaftsvertreter*innen von der Basis gewählt und abgewählt werden können. Die Basis, die von Transgender-Aktivisten angeführt wird, muss in der Lage sein, sich zu organisieren, um eine transphobe Führung abzusetzen! Für die Schaffung von Zweigen für geschlechtlchen Minderheiten in Gewerkschaften und Parteien, die das Recht haben, sich selbst zu organisieren und sich auf die gesamte Organisation zu stützen, um ihre Forderungen durchzusetzen!
- Für eine Delegation von FLINTA+s Arbeiterinnen und Arbeitern, die mit einem Index, den sie für angemessen halten, überprüfen, ob die Lohngleichheit eingehalten wird, und zwar für alle Unternehmen. Für eine angemessene Repräsentanz von Geschlechterminderheiten in ihrem Inneren! Und wenn die Bosse sie nicht einzuhalten wissen, sollen sie entschädigungslos enteignet werden!
- Unsere Überzeugung, dass Sexarbeit einer der Schrecken ist, die der patriarchalen und kapitalistischen Ausbeutung zugrunde liegen, darf uns nicht darüber informieren, dass wir sie sofort abschaffen wollen. Im Gegenteil, die Polizei auf lumpenisierte Gruppen zu hetzen [d.h. auf Gruppen, die aufgrund des fehlenden Zugangs zu legaler Lohnarbeit kriminell geworden sind], kann nur zu einem Blutbad unter den Ausgebeuteten führen. Die Frage der Abschaffung kann nur im Sozialismus gelöst werden.
Deshalb fordern wir in einem ersten Schritt :
- das Recht von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern, sich gewerkschaftlich zu organisieren!
- die Legalisierung dieser Arbeit, damit sie denselben Schutz genießt wie jede andere Arbeit.
- die Überführung der Bordelle in selbstverwaltete Kollektive der Sexarbeiter*innen
- umfassende Umschulungsprogramme, speziell für Menschen, die unter bedrohlichen und unfreiwlligen Verhältnissen arbeiten
- eine anonyme, selbstverwaltete Hotline für sexualisierte Gewalt, speziell für Sexarbetier*innen
Auf längere Sicht sagen wir:
- nieder mit den Zuhältern, die über die Körper der Sexarbeiter:innen herrschen und mit ihrer Ausbeutung Geld verdienen! Solange die materiellen Bedingungen der Sexarbeit nicht abgeschafft sind, liegt es an den Sexarbeiter:innen, die Sexarbeit zu organisieren und die Früchte ihrer Arbeit zu ernten!
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